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Konfessionen in Ländern Europas, 2023/2024

Im European Social Survey (ESS) 2023/2024 wurden in 24 Ländern Europas auch Fragen nach der Konfession und der religiösen Praxis gestellt: Religiosität, Gottesdienstbesuch, Beten. Die Ergebnisse zeigen die Spannweiten zwischen angegebener Religionszugehörigkeit und gelebter Religion. Sie bestätigen ein weiteres Mal die empirische Erkenntnis, dass formale Religionszugehörigkeiten nicht überinterpretiert werden sollten.

1. Datenbasis
2. Konfessionen
3. Religiosität
4. Gottesdienstbesuch
5. Beten
6. Zusammenfassung

1. Datenbasis

Der European Social Survey (ESS) wird als Umfrage mit der Bevölkerung ab 15 Jahren in 24 Ländern Europas realisiert. Diese Länder sind nicht deckungsgleich mit der Europäischen Union. Es ‚fehlen‘ 7 EU-Länder (Bulgarien, Dänemark, Estland, Litauen, Luxemburg, Rumänien und Tschechien) und 4 Länder sind dabei, die nicht zur EU gehören (Island, Norwegen, Schweiz und das Vereinigte Königreich).

Die Umfrageergebnisse wurden in einem zweiten Schritt auf die realen Bevölkerungszahlen ab 15 Jahren umgerechnet, da die erfassten Anteile für das jeweilige Land zutreffen, aber die Gesamtheit der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen sich nicht in der Summe der Stichproben der Umfragen (Samples) darstellen.

2. Konfessionen

Gefragt wurde nach den persönlichen Auffassungen („Betrachten Sie sich selbst als Zugehöriger zu einer bestimmten Religion oder eines Bekenntnis?“), nicht nach den formalen Mitgliedschaften.

Auf die Frage, ob man sich als Mitglied einer Religionsgemeinschaft betrachte, sagt in acht Staaten die Mehrheit „Nein“, in 16 Staaten „Ja“. Deutschland befindet sich mit 50,2 Prozent „Ja“ knapp bei den mehrheitlich Religiösen auf Rangplatz 9. (Vgl. Tabelle 1)

Das ist jedoch keine 1/3 zu 2/3-Verteilung, denn rechnet man die Anteile der Umfragen auf die Bevölkerungszahlen um, so sind es 43 Prozent Konfessionsfreie zu 57 Prozent Religiöse. Aber immer noch eine religiöse Mehrheit.

In der Verteilung der Konfessionen wird eine Dreiteilung deutlich. Im oberen Drittel — mit den hohen Anteilen von Konfessionsfreien — sind es (mit Ausnahme Frankreichs und Belgiens) traditionell protestantische Länder, danach folgen die Länder mit katholischen Mehrheiten (außer in Ungarn) und schließlich die drei Länder mit den geringsten Anteilen an Konfessionsfreien, die alle eine dominante, orthodoxe Mehrheit nennen. (Tabellen 2)

Mit den Religionszugehörigkeiten bzw. einer Konfessionsfreiheit sind — so die Annahme — auch weitere Merkmale verbunden: im ESS die Fragen nach der Stärke der Religiosität, dem Gottesdienstbesuch und dem privaten Beten,

3. Religiosität

Auf einer 10er-Skala (von 0 = „Überhaupt nicht religiös“ bis 10 = „sehr religiös“) konnte in einer Selbsteinschätzung die Stärke der eigenen Religiosität angegeben werden. Deutschland befindet sich — sortiert nach den Anteilen der „Nicht-Religiosität“ — auf Platz 5. (Vgl. Tabellen 3)


4. Gottesdienstbesuch

Der Gottesdienstbesuch — als öffentliches Bekenntnis seiner Religionszugehörigkeit und Zusammenkunft der Gemeinde — hat in der Häufigkeit drei Schwerpunkte: Einmal in der Woche, nur an Feiertagen und Niemals. (Tabellen 4).

Nach Umrechnung der Anteile in den nationalen Umfragen auf ihre jeweilige Bevölkerungszahl verdeutlicht sich, dass der Anteil der regelmäßigen Gottesdienstbesucher (von „täglich“ bis „einmal im Monat“) nur 24 Prozent erreicht.


5. Gebetshäufigkeit

Außerhalb der Gottesdienste wird nicht von allen Religionszugehörigen täglich gebetet, z. B. im Tischgebet. (Tabellen 5)

Allerdings ist das regelmäßige Gebet (von „Täglich“ bis „Einmal im Monat“) mit 38 Prozent häufiger als der regelmäßige Gottdesdienstbesuch (24 Prozent).


6. Zusammenfassung

Im Vergleich der Angaben zur eigenen Religionszugehörigkeit mit den Angaben zur Religiosität und einem religiös-kirchlichen Leben zeigen sich deutliche Unterschiede. (Tabellen 6)

Nur in drei Ländern (Belgien, Island und den Niederlanden) stufen die Befragten ihre persönliche Religiosität höher ein als ihre Religionszugehörigkeit. In allen anderen Ländern ist sie geringer. Das ist auch so bei dem privaten Beten und vor allem für den Gottesdienstbesuch der Fall. Das gilt ebenso für die ‚Spitzenreiter‘ in den Anteilen der genannten Religionszugehörigkeit (Griechenland mit 93 Prozent und Serbien mit 90 Prozent), von denen nur etwa die Hälfte regelmäßig in den Gottesdienst geht, ebenso wie für die Länder mit der geringsten Religionszugehörigkeit (Norwegen 39 Prozent, Island 38, Schweden 32 und Niederlande 28 Prozent), in denen nur noch weniger als die Hälfte bis zu einem Viertel in die Kirchen gehen.

Es sei also davor gewarnt, die Angaben zur Religionszugehörigkeit — seien sie formal oder nach eigenem Bekunden — ungefragt anzuerkennen und Bekundungen, die Kirchenmitglieder seien die Religiösen, für ‚bare Münze zu nehmen‘.

Für eines der an der ESS-Umfrage beteiligten Länder (Norwegen) ist das bereits erläutert worden („Konfessionsfreie in Norwegen“): Religionszugehörigkeiten als Traditionsbestand in einem säkularen Land.

Carsten Frerk.

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Die Titelgrafik/Zusammenfassung (Punkt 6.) wurde am 12.12.2024 geändert: Statt des Liniendiagramms in ein Säulendiagramm.
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Tabellen

(Die Daten der Grafiken und der Tabellen befinden sich im Anhang in einer auslesbaren Excel-Datei)