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Österreich: Die Heterogenität der Muslime

Eine Studie zu „Muslimische Gruppen in Österreich“ von Peter Filzmaier und Flooh Perlot verdeutlicht, dass in Bezug auf „die Muslime“ erheblich mehr differenziert werden muss, um zu angemesseneren Beschreibungen zu kommen. Als Beispiel die Frage nach der Intensität der Religiosität und den Herkunftsländern der sich selbst als Muslime Bezeichnenden.

Von Carsten Frerk

Filzmaier und Perlot haben nur Personen ausgewählt, die älter als 16 Jahre waren und die sich ausdrücklich selbst als Muslime bezeichneten. Es wurden Muslime mit türkischem und bosnischem Migrationshintergrund sowie muslimische Flüchtlinge aus den Ländern Syrien, Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia sowie aus Tschetschenien befragt. Dazu schreiben die Autoren selber: „Aufgrund der Erhebungsmethode („Snowball-Sampling“) kann die Studie keine repräsentativen und verallgemeinerbaren Erkenntnisse über MuslimInnen in Österreich liefern. Ihre Ergebnisse dienen als erster Eindruck und sollen insbesondere Unterschiede in der Sichtweise der verschiedenen Teilgruppen aufzeigen.“

Für eine Repräsentativität wären genauere statistische Kenntnisse über alle Muslime in Österreich Voraussetzung gewesen, die jedoch nicht vorliegen. Insofern wurden Quoten vorgegeben, die sich danach richteten, eine hinreichend große Mindestzahl von Befragten zu haben.

Kultur-Muslime?

Für fowid ist eine der interessantesten Ergebnisse, wie sich die Muslime – und nur um die geht es in der Studie – selber religiös einstufen. Dafür wurden drei Kategorien einer religiösen Selbsteinschätzung vorgegeben: Sehr religiös, etwas religiös sowie kaum religiös. Jede dieser drei Gruppen erfasst rund ein Drittel der Befragten.

Fowid hat die Frage formuliert, wie hoch der Anteil der „Kultur-Muslime“ ist, d. h. Menschen, die sich selbst als Muslim bezeichnen, dafür aber keine religiöse Begründung nennen, sondern beispielsweise familiäre Traditionen, gelernte Kultur, Ernährungsgewohnheiten, u. a. m.

Als größte Gruppe unter den Muslimen in Deutschland gelten die aus der Türkei Zugewanderten, die einen Anteil von 50 Prozent aller Muslime in Deutschland haben sollen. Als zweitgrößte Gruppe gelten die Muslime, die aus Ländern des Nahen Ostens zugewandert sind, als drittgrößte die Muslime aus Südosteuropa. Diese drei Gruppen repräsentieren somit rund 80 Prozent der Muslime in Deutschland.

Setzt man als Hypothese, dass die Muslime, die sich selbst so bezeichnen, aber ebenfalls angeben „kaum religiös“ zu sein, zum größten Teil oder sogar komplett „Kultur-Muslime“ sind, so sind die Angaben der Studie nach den Herkunftsländern Türkei, Syrien und Irak sowie Bosnien-Herzegowina von besonderem Interesse.

Die aus der Türkei stammenden Muslime geben zu 39 Prozent an „kaum religiös“ zu sein, eine Größenordnung, die ebenfalls von den Muslimen aus Syrien (40 Prozent „kaum religiös“) sowie aus dem Irak (43 Prozent „kaum religiös“) erreicht werden. Von den Muslimen, die aus Bosnien-Herzegowina stammen, sind es die Hälfte (48 Prozent), die sich als „kaum religiös“ bezeichnen.

In dieser Hinsicht ist die Schätzung – auf Deutschland bezogen – dass in Deutschland 20 Prozent der Muslime als „Kultur-Muslime“ anzusehen sind und aus den „konfessionsgebundenen Muslimen“ herauszurechnen seien, aufgrund dieser Anteile – in Österreich, mit Bezug auf die Herkunftsländer - als zu gering anzusehen. Ein Anteil von mindestens einem Drittel „Kultur-Muslime“ erscheint nicht unrealistisch.

Weitere Forschungen sollten darüber mehr Klarheit bringen.