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Österreich: Katholiken 1991-2023

Die Mitgliederzahlen der römischen-katholischen Kirche verringern sich auch 2023 kontinuierlich weiter. Die römischen Katholiken kommen noch auf einen Anteil von 50,6 Prozent der Bevölkerung. Entsprechend ist zu erwarten, dass die Katholiken im „katholischen Österreich“ bei der Zählung am Ende dieses Jahres 2024 nicht mehr die Mehrheit stellen werden.

1. Mitgliederzahlen
2. Gottesdienstbesucher
3. Kirchenaustritte
4. Taufen / Bestattungen
5. Zusammenfassung der Einflussgrößen
6. Gesellschaft / Kirche
7. Vorläufige Einschätzung

In Fortschreibung der Daten bis 2018 und unter Einbeziehung der Zeitreihe seit 1951 wurden nach der Veröffentlichung der Statistiken der Diözesen Österreichs die Entwicklungen aktualisiert.

1. Mitgliederzahlen

Die Mitgliederverluste der katholischen Kirche in Österreich belaufen sich von 1991 bis 2023 – also innerhalb von 32 Jahren oder etwa einer Generation – auf 1.806.000 Personen, das sind mehr als ein Fünftel (28 Prozent) der Mitglieder oder ein Verlust von 56.500 Mitgliedern pro Jahr oder rein rechnerisch von 155 Mitgliedern pro Tag. (Vgl. Tabelle 1 im Anhang)

Diese Verringerungen verlaufen kontinuierlich, sowohl in absoluten Zahlen wie in den Anteilen an der Bevölkerung. In den Prozentanteilen wird es noch deutlicher, da die Bevölkerung insgesamt zahlreicher wird. Ende 2023 beläuft sich der Anteil auf 50,6 Prozent.

Für den dargestellten Zeitraum beläuft sich der durchschnittliche Mitgliederrückgang auf 1,0 Prozentpunkte pro Jahr. In den vergangenen fünf Jahren (2019-2023) liegen die Veränderungen über dem Durchschnitt (2023/2022 = 1,99 Prozent.

(Die ‚Unruhen‘ im Zeitraum 1991-2002 beruhen u. a. auf den Ergebnissen der Volkszählungen.)

In diesen vergangenen fünf Jahren hat die Mitgliederzahl einen Rückgang von durchschnittlich 1,1 Prozentpunkten pro Jahr. Schreibt man diese Entwicklung weiter, dann wird sich der Anteil der Katholiken – schneller als 2018 erwartet - bis zum Jahresende 2024 auf 49,5 Prozent weiter verringert haben. Die Katholiken wären nicht mehr die Mehrheit in der Bevölkerung.

2. Gottesdienstbesucher

Ein Aspekt, der für die Beschleunigung dieser Verringerungen Einfluss hat, ist der rapide Rückgang der Anzahl der Gottesdienstbesucher. Gingen 1991 noch 1.300.000 Katholiken in der Fastenzeit zum Gottesdienst, sind es 2023 noch 322.000. Ein Rückgang um 75 Prozent. (Vgl. Tabelle 2)

Betrachtet man die Gottesdienstbesucher als „aktive Katholiken“, denen dieses religiöse Ritual und Gemeinschaftserlebnis wichtig ist, so beläuft sich dieser Anteil 2023 noch auf 3,5 Prozent der Bevölkerung.


3. Kirchenaustritte

Für die Verluste an Mitgliedern werden häufig die Kirchenaustritte als wichtigste Ursache genannt. Von 1991 bis 2008 wird nur einmal (2004) knapp die 50.000-Marke übertroffen, ab 2009 sind es jedes Jahr über 50.000 Austritte, mit dem Gipfelpunkt in 2010 (Missbrauchsfälle), ab 2021 sind es mehr als 70.000 Kirchenaustritte pro Jahr. 2022: 90.975 = 350 pro Werktag.

Bei einem Durchschnitt für den gesamten Zeitraum von 0,9 Prozent der Kirchenmitglieder pro Jahr, steigen diese Anteile ab 2009 überdurchschnittlich und erreichen 2022 knapp zwei Prozent (1,88).

4. Taufen/Bestattungen

Eine zweite Einflussgröße für de Entwicklung der Mitgliederzahlen ist der Saldo zwischen Taufen (Zugänge) und Bestattungen (Abgänge). (Vgl. Tabelle 2)

Die Anzahl der Taufen ist bis 2006 größer als die der Bestattungen, ab 2007 gibt es in der Anzahl einen Bestattungsüberschuss.

Betrachtet man den Saldo zwischen Taufen und Begräbnissen, wird diese Entwicklung von Plus und Minus deutlicher.

(Bei den Begräbnissen ist noch nicht berücksichtigt, dass – zumindest nach den Erfahrungen in Deutschland – der Anteil der verstorbenen Katholiken höher ist als die kirchlich gezählte Anzahl der Bestattungen, da sich eine zunehmende Anzahl der Kirchenmitglieder sich nicht mehr kirchlich bestatten lässt, die „stillen Kirchenaustritte“.)

5. Zusammenfassung der Einflussgrößen

Kombiniert man diese beiden Einflussgrößen (Austritte bzw. Sterbeüberschüsse / Taufdefizite), zeigt sich, dass die Kirchenaustritte der dominante Faktor sind.

Diese Entwicklung wird von den Verringerungen der Ereignisse des kirchlichen Lebens (Kasualien) begleitet, die sich langsam, aber stetig, verringern. (Tabelle 3, 4).

Die drei Pfeile zeigen den ‚Zeitversatz‘ von Taufen (grün), Erstkommunionen (gelb), sieben/acht Jahre nach der Taufe, und Firmungen (violett), 14 Jahre nach der Taufe.

Fügt man diese Reihenfolge nebeneinander zusammen, zeigt sich, dass von den Getauften beinahe ‚alle‘ bei der Erstkommunion ‚ankommen‘, bei der Firmung dann jedoch sichtbar weniger. (Tabelle 5)


6. Gesellschaft / Kirche

Neben diesen innerkirchlichen Faktoren, die sich direkt auf die Anzahl der Kirchenmitglieder auswirkt, zeigt ein Blick auf das quantitative Verhältnis von Gesellschaft und Kirche – sozusagen ein Blick von außen – weitere Trends auf.

Die kirchlichen Trauungen sind dabei von besonderer Bedeutung. In ihrer Entwicklung – als Agenturen religiös homogener Kommunikation – zeigt sich ein weiterer Verlust – hier der ‚Verankerung‘ in der Gesellschaft. 1991 wurden 54 Prozent aller Ehen katholisch getraut, 2022 sind es noch 20 Prozent.

Bei den katholischen Taufen der Geborenen verläuft der Trend gleichsam parallel. 1991 wurden 82 Prozent der Lebendgeborenen katholisch getauft, 2023 sind es noch 51 Prozent. (Tabelle 6)

Beide Zeitreihen verweisen darauf, dass auch die damit verbundenen kirchlich-religiösen Feiern sich in dem betrachteten Zeitraum einer Generation halbiert haben. Die ‚Milieus‘ dünnen aus.

7. Vorläufige Einschätzung

Sowohl hinsichtlich der kirchlichen Sozialisation und einem Gemeinschaftserlebnis (Gottesdienstbesuch), wie im religiös organisierten Alltag (Kirchliche Trauungen), verliert die katholische Kirche in Österreich – ebenso wie in Deutschland – die kirchliche Einbindung. Die Kirche verliert damit die religiösen Resonanzräume, aus denen sich Glauben speist bzw. Glauben und Kirchenmitgliedschaft bestärkt werden.

Zu den demografischen Faktoren der sozialen Entfremdung (Schulbesuch in ‚Mittelpunktschulen‘, Ausbildung und Studium weitab von ‚zu Hause‘, Berufstätigkeit in der Stadt, im Ausland, u. a. m.), die empirisch noch aufzuarbeiten wären, verstärken die Verluste der Einbindung, der Resonanzräume und auch der sozialen Kontrolle den Trend, dass die Kirchen im Leben der Gläubigen irrelevanter werden.

Auch wenn es in Österreich für die katholische Kirche noch einen inneren Traditionsbestand gibt (Taufen, Erstkommunion, Firmungen) wird dieser geringer und verliert an Bedeutung.

Da es sich bei dem Relevanzverlust um ein soziales Thema handelt, haben alle Versuche, mit besserer Theologie oder religiösem Engagement dagegen zu halten, keinen Erfolg. Kirche ist vor allem als Kirchengemeinde, ein sozialer Raum.

Carsten Frerk

Tabellen
(Die auslesbaren Daten für die Tabellen und Grafiken befinden sich in der angefügten Excel-Datei)