Religion von jungen Erwachsenen in 20 Ländern Europas
In einer Auswertung der Daten 2014 bis 2016 des European Social Survey (ESS 2014-2016) hat eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Stephen Bullivant, Professor für Theologie und Religionssoziologie an der St. Mary’s University (Twickenham, London), einen Bericht erarbeitet und publiziert, „Europe’s Young Adults and Religion”, aus dem u. a. hervorgeht, dass in 12 der untersuchten 20 Länder mehr als 50 Prozent der 16-29-Jährigen sich als konfessionsfrei bezeichnen. Katholische Mehrheiten unter den jungen Erwachsenen gibt es nur noch in fünf Ländern.
Im European Social Survey (ESS) wird nicht nach der formalen Kirchenmitgliedschaft gefragt, sondern: „Betrachten Sie sich als einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft zugehörig?“ Wer mit „Ja“ antwortete, bekam eine Liste mit möglichen Optionen vorgelegt. Diese Fragestellung ist genauer und geeigneter, wenn man sich für die tatsächlich gelebte Religion interessiert.
Der Bericht von Bullivant hat u. a. die Aufgabe, Informationen für die im Herbst stattfindende Bischofskonferenz aufzubereiten, bei der vor allem die Position der Jugend zur katholischen Kirche thematisiert werden soll, Leitwort: „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“.
Die jungen Erwachsenen, die in den 20 beteiligten Ländern die Frage der Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft mit „Nein“ bzw. „Keine“ beantworteten, stellen in 12 der 20 Länder die Mehrheit.
Auch in traditionell ‚katholischen Ländern‘, wie Frankreich und Spanien sind 64 bzw. 55 Prozent der jungen Erwachsenen konfessionsfrei. Bemerkenswert ist zudem, dass die beiden Länder mit den höchsten Anteilen an konfessionsfreien jungen Erwachsenen (Tschechien und Estland) ebenso wie die beiden Länder mit den niedrigsten Anteilen an konfessionsfreien jungen Erwachsenen (Litauen und Polen) bis 1990 Teile des sowjetisch dominierten „Ostblocks“ waren.
Bei einer Unterteilung nach Anteilen der Christen insgesamt, der Muslime und der Konfessionsfreien unter den jungen Erwachsenen zeigt sich, dass in den 20 beteiligten Ländern nur noch fünf Länder eine christliche Mehrheit unter den jungen Erwachsenen haben (Polen, Litauen, Slowenien, Irland und Portugal) und drei weitere Länder (Deutschland, Österreich und die Schweiz) weder eine christliche noch eine konfessionsfreie Mehrheit nennen.
Fasst man alle jungen Erwachsenen zusammen, die sich einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen, so steigt die Anzahl der Ländern, in denen alle religiösen jungen Erwachsenen eine Mehrheit bilden, zwar auf acht Länder, was aber dennoch eine Minderheit gegenüber den 12 Ländern darstellt, in denen die jungen Erwachsenen mehrheitlich konfessionsfrei sind.
Das Selbstverständnis einer religiösen Identität sagt jedoch noch nichts aus über die persönliche Bedeutung dieser Religionszugehörigkeit für den eigenen Lebensalltag. Als Indikator dafür kann man u. a. die Häufigkeit des Gottesdienstbesuches ansehen.
Im ESS wurde dazu gefragt: „Abgesehen von speziellen Ereignissen wie Trauungen oder Beerdigungen, wie häufig nehmen Sie an Gottesdiensten teil?“ Für die Auswertung und grafische Darstellung wurden die drei Kategorien der höheren Häufigkeit („jeden Tag“, „mehrmals im Laufe der Woche“ sowie „einmal in der Woche“ in einer Gruppe dargestellt, um einen besseren Kontrast zu denen zu haben, die „Niemals“ einen Gottesdienst besuchen.
Dabei zeigt sich, dass - abgesehen von den jungen Erwachsenen in Polen (39 Prozent), Portugal (20) und Irland (15) - von den jungen Erwachsenen nur weniger als zehn Prozent regelmäßig einen Gottesdienst besuchen.
Im Unterschied zur Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs - einem öffentlichem Event zu dem man zu einer bestimmten Uhrzeit vor Ort zu sein hat – wird das private Gebet häufiger praktiziert.
Die jungen Erwachsenen in Deutschland und in den Niederlanden rücken dabei in die Spitzengruppe der Gebetshäufigkeit.
Katholiken
Die Bullivant-Studie, die als eine vorbereitende Analyse für die Synode der Bischofskonferenz in Rom gedacht ist, richtet ihr Augenmerk auch auf die jungen Erwachsenen, die sich selbst als „Katholik“ bezeichnen.
Betrachtet man diese jungen Erwachsenen der 16-29-Jährigen als die Zukunftsträger der katholischen Kirche, so hat die katholische Kirche in zwei der erfassten 20 Länder eine stabile Zukunft, in Polen und Litauen. In drei weiteren Ländern (Slowenien, Irland und Portugal) sind es noch knappe Mehrheiten (von 53-55 Prozent) und in den übrigen 15 Ländern sind die jungen, erwachsenen Katholiken in der Minderheit. Das gilt nicht nur für die traditionell protestantischen Länder Nordeuropas, sondern auch für die traditionell katholischen Länder wie Österreich, Spanien, Ungarn, Frankreich und Belgien.
Wie verhält sich die Intensität der gelebten Religionszugehörigkeit unter den jungen erwachsenen Katholiken? Den Gottesdienst besucht die Hälfte (47 Prozent) der jüngeren Katholiken regelmäßig. In den drei weiteren Staaten (Portugal, Irland und Tschechien) sind es rund ein Viertel (24 – 27 Prozent) der jüngeren Katholiken, die regelmäßig in die Kirche gehen. In den weiteren elf Ländern ist der Anteil der jüngeren Katholiken die „Niemals“ einen Gottesdienst besuchen höher als die der regelmäßigen Kirchengänger und der katholischen jungen Erwachsenen. Besonders ausgeprägt ist die generelle ‚Abstinenz‘ vom Kirchengang bei den jüngeren erwachsenen Katholiken in Spanien (39 Prozent), in Belgien (3), in den Niederlanden (23) und in Frankreich (21 Prozent).
Hinsichtlich der privat gelebten Frömmigkeit sind - am Beispiel der Gebetshäufigkeit und im Vergleich zur Gebetshäufigkeit aller jungen Erwachsenen - die Anteile der jungen erwachsenen Katholiken, die regelmäßig beten, deutlich höher: In fünf Ländern sind es mehr als 40 Prozent dieser Katholiken.
Zu den Ländern, in denen die Anteile derjenigen jüngeren Katholiken, die „Niemals“ beten, deutlich höher sind, als die der regelmäßig Betenden, gehören insbesondere Spanien, Frankreich und Belgien.
In diesen drei Ländern ist die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche als besonders problematisch anzusehen.
Dass diese Frage und Einschätzung, auch in Vorbereitung der Synode der Bischofskonferenz im Herbst 2018, innerhalb der katholischen Kirche umstritten ist, darauf verweisen zwei Umfragen in Frankreich, die von der katholischen Zeitung „La Croix“ und der französischen Bischofskonferenz initiiert wurden. Sowohl 2016 wie 2018 wurden 18-30-jährige Franzosen u. a. gefragt: „Glauben Sie an Gott?“ und als Ergebnis wird berichtet: „Nach unserer Umfrage ist der Glaube an Gott bei französischen Jugendlichen im Alter von 18 bis 30 Jahren seit zwei Jahren angestiegen. Die Gläubigen sind mit 52 % sogar eine leichte Mehrheit geworden, während sie 2016 nur 46 % waren. Und weniger als ein Fünftel der jungen Menschen (19 %) betrachten die Existenz Gottes als völlig ausgeschlossen (gegenüber 23 % in 2016). Diese Entwicklung geht einher mit einem deutlichen Anstieg der Anzahl junger Menschen, die die spirituelle Dimension als wichtig für ihr persönliches Leben ansehen (39 %, + 9 % seit Juli 2016).“
Um zu erklären, dass die Ergebnisse der referierten Bullivant-Studie zu anderen Ergebnissen kommt, wird kommentiert: „Das Interesse am Glauben dieser Generation steht auch im Gegensatz zu der europäischen Studie, die vom Catholic Institute of Paris und der London St Mary’s University durchgeführt wurde, die eine von religiösen Zugehörigkeiten weit entfernte Jugend enthüllte hat. Die Frage nach der Beziehung zu Gott wurde nicht gestellt.“
(CF)