Religions- und Weltanschauungsunterricht, Berlin, 2010/2011
In Berlin werden von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft jeweils zum Schuljahresbeginn die statistischen Zahlen u.a. zum Religions- und Weltanschauungsunterricht in den einzelnen Jahrgangsstufen sowie nach Stadtbezirken und Schultyp veröffentlicht.
Am Religions- und Weltanschuungsunterricht, der in Berlin freiwillig ist, nimmt durchschnittlich jeder zweite Schüler teil. Dreizehn Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bieten den Unterricht in Schulen an, in denen bei Eltern oder Schülern an der jeweiligen Religion oder Weltanschauung Interesse besteht.
Die jeweiligen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bestimmen die Unterrichtsinhalte, müssen aber die Rahmenlehrpläne genehmigen lassen, damit gewährleistet ist, dass der Religionsunterricht den gleichen Maßstäben wie für den allgemeinen Unterricht gerecht wird.
Der Unterricht wird folgenden Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in allen öffentlichen Schulen angeboten, in denen Interesse in der Eltern bzw. Schülerschaft besteht:
- die evangeliche Kirche
- die katholische Kirche
- die Jüdische Gemeinde in Berlin
- die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland
- der Humanistische Verband Deutschlands
- die Islamische Föderation – mit einem Angebot von islamischem Religionsunterricht
- das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten – mit einem Angebot von islamischem Religionsunterricht
- die Buddhistische Gesellschaft in Berlin
- die Christengemeinschaft
Etwa die Hälfte (48,6 %) der Berliner SchülerInnen des Schuljahres 2010/2011 nimmt nicht an einem (in Berlin freiwilligen) Religions- oder Weltanschauungsunterricht an den öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen teil. Mit anderen Worten: Jede(r) zweite der rund 320.000 SchülerInnen wird nicht in religiösen bzw. weltanschaulichen Fragen unterrichtet. Gegenüber den vorangegangenen Schuljahren (48,4 und 50,7 sowie 50,4 %) hat sich dieser Anteil nur geringfügig zu etwas mehr Teilnehmern verändert.
Drei Weltanschauungen (Evangelisch, Humanistisch, Katholisch) stellen mit 94,3 % aller teilnehmenden SchülerInnen die Grundrichtungen. Das weitere Angebot von zehn verschiedenen Unterrichtsanbietern teilt sich die verbleibenden knapp 6 % der teilnehmenden SchülerInnen.
An den privaten allgemein bildenden Schulen ist der Anteil, der an einem Religionsunterricht teilnimmt, gegenüber den öffentlichen Schulen deutlich höher – was nicht verwunderlich ist, da sie vorwiegend auf christlich-weltanschaulichen Grundlagen beruhen. Jedoch auch dort nimmt etwa ein Viertel der SchülerInnen an keinem Weltanschauungs- und Religionsunterricht teil.
Diese erste allgemeine Feststellung ist aber nur in dieser Allgemeinheit richtig, da die Teilnehmerzahlen mit Bezug auf die Gesamtschülerzahlen sich in den vier verschiedenen Jahrgangsstufen gravierend voneinander unterscheiden.
In den Jahrgangsstufen 1-4 (Grundschulen) nehmen rund vier Fünftel aller SchülerInnen (79 Prozent) am Religions- und Weltanschauungsunterricht teil.
In den Jahrgangsklassen 5 und 6 (Grundschulen, Integrierten Sekundarschulen1 und Gymnasien) sind es noch zwei Drittel aller SchülerInnen (69 Prozent), während die Teilnehmerquote in der Jahrgangsstufe 7 bis 10 (Integrierte Sekundarschule und Gymnasien) bereits unter ein Drittel aller Schüler sinkt (26,7 Prozent). In der Jahrgangsstufe 11 bis 13 (Gymnasien) sind es dann nur noch 13,4 Prozent aller SchülerInnen, die dieses Unterrichtsangebot nachfragen/annehmen.
Diese Verteilungen innerhalb der jeweiligen Jahrgangsstufen sind seit Jahren weitgehend stabil.
Bemerkenswert ist dabei, dass der generelle Trend der verringerten Nachfrage nach Religions- undWeltanschauungsunterricht in den älteren Jahrgangsstufen für alle Angebote gleichermaßen gilt.
Die jährlichen prozentualen Veränderungsraten der (Teilnehmer)zahlen2 zeigen mehrere Aspekte.
- Die Schülerzahlen in Berlin verringern sich jährlich und kontinuierlich (im Minusbereich).
- Die Teilnehmerzahlen am Religions- und Weltanschauungsunterricht sind dagegen über die Jahre relativ leicht angestiegen.
- Dieser Anstieg liegt im Wesentlichen in den ansteigenden Teilnehmerzahlen der Humanistischen Lebenskunde begründet.
- Die jährlichen Veränderungen in den Jahrgangsstufen verlaufen von der Tendenz parallel zueinander.
- Es ist grundlegend wichtig, sich in der Betrachtung der Veränderungen nicht auf die absoluten Teilnehmerzahlen zu beziehen, da die Schülerzahl in Berlin sich stetig verringert und sich somit die Bezugsgrößen verändern. Die verlässliche Zahl ist der jeweilige Anteil der Teilnehmer (Quote) am jeweiligen Unterricht bezogen auf die Gesamtschülerzahl insgesamt und in den Jahrgangsstufen.
- Der evangelische Religionsunterricht hat gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang in der Teilnahmequote von insgesamt 0,41 Prozentpunkten. Der katholische Religionsunterricht ist relativ stabil in der Nachfrage (- 0,04 Prozentpunkte) und die Humanistische Lebenskunde kann ihren Anteil um 0,34 Prozentpunkte erweitern.
- Im dargestellten Zeitraum (vierzehn Schuljahre 1996/97 bis 2010/11) erhöht sich die Teilnehmerquote am evangelischen Religionsunterricht um 1,4 Prozentpunkte (von 23,7 % auf 25,1 % aller Schüler). Auch wenn sich seit 2005 die Teilnehmerquote jeweils leicht verringert hat, nehmen (mit Bezug auf die Gesamtschülerzahl) aktuell etwas mehr Schüler am evangelischen Religionsunterricht teil als 1996.
- Das gleiche gilt auch für den katholischen Religionsunterricht, der – mit durchweg leicht besser werdenden Quoten – seine TeilnehmerInnenquote von 1996/97 zu 2010/11 um 2 Prozentpunkte verbessern kann.
- Die Humanistische Lebenskunde kann die Quote der TeilnehmerInnen im gleichen Zeitraum um 11,4 Prozentpunkte (von 4,2 auf 15,6 Prozent aller SchülerInnen) erweitern, d. h. mehr als verdoppeln.
Sonderbetrachtung Jahrgangsstufe 7 bis 10
Im Schuljahr 2006/2007 wurde in Berlin das Allgemeinbildende Schulfach „Ethik“ für die Klassen 7 bis 10 eingeführt.
Eine Initiativgruppe „Pro Reli“ ist daraufhin an die Öffentlichkeit gegangen, um in einem Volksbegehren/Volksentscheid durchzusetzen, dass Religionsunterricht als gleichberechtigtes Pflichtfach neben Ethik gestellt wird und die SchülerInnen sich für eines der beiden Fächer entscheiden müssen.
Eines der Argumente von „Pro Reli“ ist die Darstellung, dass das Pflichtfach Ethik die Teilnahme am freiwilligen Religionsunterricht zurückdränge und der zunehmende Leistungsstress die Teilnahme am Religionsunterricht erschweren würde, was sich in deren sinkenden Teilnehmerzahlen in der Jahrgangsstufe 7 bis 10 zeige.
Diese Darstellung entspricht nicht den tatsächlichen Zahlen (vgl. Tabelle 2.1. bis 2.4.) und ein Vergleich der Teilnehmerquoten des Jahres 2009 mit dem aktuellen Jahr (vgl. Tabelle 2.5.) zeigt das Gegenteil.
Der evangelische Religionsunterricht verliert in der Teilnahmequote gegenüber dem Vorvorjahr insgesamt 0,04 Prozentpunkte. In den vier Jahrgangsgruppen am stärksten jedoch in der Jahrgangsgruppe 1 bis 4 (- 1,49 Prozentpunkte), gefolgt von der Jahrgangsgruppe 5 und 6 (- 0,07 Prozentpunkte).
In der Jahrgangsgruppe 7 bis 10, die „Ethik“ als Pflichtfach haben, ist dagegen ein Zuwachs der Teilnehmerquote von 1,23 Prozentpunkten zu verzeichnen. Der evangelische Religionsunterricht geht in der Nachfrage also vorrangig bei den Grundschülern zurück und nicht durch die Einführung des Fachs „Ethik“.
Ebenso zeigen die Teilnehmerzahlen für den katholischen Religionsunterricht jeweils einen kleinen Zuwachs in den Jahrgangsgruppen 7 bis 10 und 11 bis 13.
2 Es werden nur die drei größeren Anbieter betrachtet, da bei den kleineren Anbietern aufgrund der geringeren Fallzahlen teilweise ‚verzerrte’ Prozentsätze entstehen. (Vgl. dazu die folgende Tabelle 3.3.)