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Religionszugehörigkeiten, gefühlt, 2022

Mit einer ungewöhnlichen Fragestellung zur Religionszugehörigkeit, die sich auf die subjektive Selbstzuordnung der Befragten und nicht auf formale Mitgliedschaften fokussiert, ist es jetzt möglich, formale Registereinträge und rechnerische Schätzungen wie Zuordnungen zu überprüfen. Das Ergebnis bestätigt die Korrektheit bisheriger Zählungen wie Berechnungen, was so nicht unbedingt zu erwarten war.

Vorbemerkung
1. Religionszugehörigkeiten nach Bundesländern / Regionen
2. Religionszugehörigkeiten nach Geschlecht, Altersgruppen
3. Religionszugehörigkeiten nach interner Altersgliederung
4. Religionszugehörigkeiten nach Ortsgröße, Schulbildung, Beruf

Vorbemerkung

Umfragen zu den Religionszugehörigkeiten in Deutschland lassen sich selten für die Bundesländer auswerten, da die Anzahl der Befragten – außer in NRW, Bayern und Baden-Württemberg – zu gering werden, um eine belastbare Aussage treffen zu können.

Nun hat der bfg-Bayern im Februar/März 2022 eine besondere Umfrage auf den Weg gebracht. Realisiert von der GfK Umfrageforschung, Nürnberg, hat diese Umfrage zum einen die Besonderheit, dass die beiden Fragen (zum Religions- und/oder Ethikunterricht sowie zur subjektiven Religionszugehörigkeit) in vier wöchentlichen, jeweils repräsentativen nationalen Umfragen des GfK-„eBus“, gestellt wurden. Insofern belief sich die Zahl der Befragten nicht nur auf die üblichen rund 1.000 Befragten, sondern summierte sich auf 4.030 Personen. Das ermöglicht eine Auswertung auch für Untergruppen, die in den üblichen Umfragen zu gering besetzt sind (unter 100 Befragte).

Dazu ist anzumerken: Empirische Umfragen erbringen keine exakten Zahlen, sondern benennen Tendenzen im Rahmen einer +/- Fehlertoleranz, die (für 1.000 Befragte) bei rund 2-3 Prozentpunkte liegt. Verringert sich die Zahl der Befragten, vergrößert sich die Fehlertoleranz.

Zum anderen wurde nicht gefragt: „Welcher Religionsgemeinschaft gehören sie an?“ – womit dann alle formalen Kirchenmitglieder entsprechend antworteten -, sondern die Frage lautete: „Welcher Religion fühlen Sie sich zugehörig? Fühlen Sie sich als katholische/r Christ/in, als evangelische/r Christ/in, als Muslim/in, einer anderen als der hier aufgeführten Religionen zugehörig oder keiner Religion zugehörig?“

Was auf den ersten Blick nicht wesentlich erscheint, hat jedoch eine zweifache Qualität. Zum einen besagt es, dass die formalen Kirchenmitglieder – egal wie sie inhaltlich zu ihrer Kirche stehen -, sich persönlich als katholische bzw. evangelische Christen fühlen. Das bedeutet aber auch, dass die Kirchganghäufigkeit zwar etwas über die Intensität einer Kirchenbindung aussagt, aber nur wenig darüber, ob man sich noch als Teil der ‚religiösen Familie‘ versteht. Ebenso bedeutet es auch, dass eine religiös/inhaltliche Entfremdung der wesentliche Grund für einen Kirchenaustritt ist und weniger materielle Interessen.

Zum anderen sind die Konfessionsfreien in der Umfrage keine rechnerische ‚Größe‘, d. h. diejenigen, die nach Bevölkerung minus Kirchenmitglieder minus Religiöse dann noch vorhanden sind, sondern die Konfessionsfreien der Umfrage haben sich persönlich ausdrücklich dazu bekannt und fühlen sich „keiner Religion zugehörig“. Das heißt zwar nicht, dass sie alle einer Meinung sind – das sind die Katholiken, Evangelischen oder Muslime im Übrigen auch nicht – aber es heißt, dass sie sich in dieser Frage einig sind.

1. Religionszugehörigkeiten nach Bundesländern / Regionen

Die Gesamtverteilung der gefühlten Religionszugehörigkeiten entspricht weitestgehend den Anteilen, die auch aus den bisherigen fowid-Berechnungen bekannt sind, die aber von den formalen Kirchenmitgliedschaften und Schätzungen ausgehen: Katholisch (nach Umfrage: 24,4 nach Mitgliederzahl/Schätzung: 26,7 Prozent), Evangelisch (24,3 / 28,2), Muslime (3,8 / 3,5), andere Religionen (2,2 / 4,8) sowie Konfessionsfreie (41,3 / 40,7 Prozent).

Die Umfrage ist aus dem März 2022, die Mitgliederzahlen/Schätzungen von Ende 2021. Die Verringerung bei den Katholiken erscheint also plausibel - Genaueres im Sommer, wenn die Bischofskonferenz die Mitgliederzahlen publiziert – die Evangelischen sind mehr, da die Umfrage nicht nach evangelischen Denominationen untergliedert, sondern EKD-Evangelische, Evangelische Freikirchler, Evangelikale u. a. m. sich hier zusammenfinden. Die Anzahl der Muslime ist ‚passgenau‘, bei den anderen Religionen ist die Frage, ob beispielsweise die Orthodoxen sich zu den Katholiken zählen, sowie die Konfessionsfreien, die sich ebenfalls ‚passgenau‘ entsprechend fühlen.

Nach Bundesländern zeigt sich eine für Deutschland typische Nord-Ost versus Süd-West-Verteilung.

Diese Verteilungen zeigen sich dann entsprechend in den Daten zu den Regionen.


2. Religionszugehörigkeiten nach Geschlecht, Altersgruppen

Der Aspekt, dass Frauen als „religiöser“ gelten, findet sich in der Umfrage nicht mehr. Innerhalb der Frauen bzw. der Männer sind die Anteile identisch: Katholisch plus Evangelisch sind es 53:53 und konfessionsfrei 41:42.

In den Altersgruppen gibt es – abgesehen von den 18-29-Jährigen –, einen deutlichen Anstieg der Religiösen mit den Altersgruppen. Der Abstand der Katholiken und Evangelischen, also der Christen, zu den Konfessionsfreien beträgt jeweils +4, +7, +9, +16, +26 Prozentpunkte.

Für die Katholiken ist der Altersaufbau gleichmäßig, bei den Evangelischen sind die Älteren (60 Jahre und älter) überdurchschnittlich häufig. Bei den 18-29-Jährigen zeigt sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil von Muslimen (12 Prozent). Diese ungewöhnliche Altersstruktur der Muslime zeigt sich entsprechend auch in den internen Altersverteilungen.

3. Religionszugehörigkeiten nach interner Altersgliederung

In den Altersgliederungen innerhalb der einzelnen Gruppen sind für die Katholischen, die Evangelischen und die Konfessionsfreien keine großen Unterschiede zur Gesamtverteilung feststellen. Ein kleiner Unterschied besteht darin, dass bei den Konfessionsfreien die jüngste Altersgruppe unterdurchschnittlich vorhanden ist. Das ist bereits seit der Volkszählung 1987 bekannt.

Deutlich anders sind es bei den Muslimen aus, die in der Umfrage einen weiterhin asymmetrischen Altersaufbau haben, d. h. einen Anteil von 59 Prozent in der jüngsten Altersgruppe der 18-29-Jährigen. Das ist jedoch nicht auf eine hohe Fertilitätsrate unter Musliminnen zurückzuführen, was bereits in dem Fowid-Artikel „Geburtenzahlen von Kindern muslimischer Mütter/Väter“ analysiert worden ist, sondern – als Hypothese – Ausdruck des hohen Anteils von muslimischen jungen Männern unter den Flüchtlingen der Jahre 2015 ff.: „In der Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen sind vier von fünf Flüchtlingen männlich, bei den 18- bis 25-Jährigen stehen drei Männer einer Frau gegenüber.“ (Quelle: WiWo)

Das entspricht auch einer weiteren Auswertung, bei der 2022 rund 73 Prozent der Asylbewerber in den Altersgruppen 18-30 Jahren männlich sind. Was heißt, dass den muslimischen jungen Männern keine hinreichende Zahl von Musliminnen entspricht, was die Möglichkeit der gleich-religiösen Eheschließung stark reduziert.

In der GfK-Umfrage wird auch nach der Kinderzahl gefragt. Von den befragten Muslimen haben 51 Prozent keine Kinder, 49 Prozent haben Kinder, darunter 23 Prozent ein Kind, 21 Prozent 2 Kinder und 5 Prozent drei Kinder und mehr. Von einer drohenden demographischen ‚Welle‘ durch Muslime kann also keine Rede sein.

4. Religionszugehörigkeiten nach Ortsgröße, Schulbildung, Beruf

Die Katholiken sind überdurchschnittlich in den kleineren Ortsgrößenwohnhaft (unter 5.000 und bis unter 20.000), die Muslime in den ‚urbanen Ballungsräumen‘ (20.000 bis 100.000 und mehr), wie es u. a. für das Ruhrgebiet zutrifft, während die Konfessionsfreien deutlich überdurchschnittlich in den Großstädten (100.000 und mehr) leben.

Nach der formalen Schulbildung sind die Katholiken wie die Evangelischen überdurchschnittlich bei den Haupt-/Volksschülern vertreten, während die Konfessionsfreien bei den Befragten mit höherer Schulbildung, aber ohne Abitur, ihren Schwerpunkt haben.

Nach dem derzeitigen Beruf gibt es unter den Beamten überdurchschnittlich viele Evangelische, während die Muslime überdurchschnittliche Anteile unter den Arbeitern nennen.

(Carsten Frerk)