Werte bei Deutschen und Geflüchteten
Unterscheiden sich die Geflüchteten, die in Deutschland eine Zuflucht gefunden haben, in ihren politikbezogenen Auffassungen von der deutschen Bevölkerung? Dieses war eine von vielen Fragen, denen das Deutsche Institut der Wirtschaft (DIW) mit weiteren Kollegen in der Kombination aus der Befragung von rund 2.300 Flüchtlingen und Daten aus dem World Value Surveys nachgegangen ist.
Die Studie ist der erste Teil eines Projekts, für die 2.349 geflüchtete Personen von Juni bis Oktober 2016 befragt wurden. In dieser Untersuchung, die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Sozio-Oekonomische Panel (SOEP) am DIW Berlin durchgeführt wurde, ist damit eine neue Datengrundlage geschaffen worden. Erhoben wurden nicht nur Bildungs- und Erwerbsbiografien, sondern auch Werte und Einstellungen der Geflüchteten.
Die Befragten sind eine Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit der 529.078 im Ausländerzentralregister erfassten Geflüchteten, die vom 1. 1. 2013 bis zum 31. 1. 2016 in Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben.
„Die soziale und kulturelle, aber auch die wirtschaftliche Teilhabe der Geflüchteten wird maßgeblich von ihren Werten und ihrer weiteren Entwicklung abhängen. Geflüchtete stammen vielfach aus diktatorisch regierten Ländern, in denen demokratische Traditionen sowie zivilgesellschaftliche Strukturen schwach ausgebildet oder in den letzten Jahren zerstört worden sind. Inwieweit sich die Erfahrung diktatorischer Regime in einer geringen Unterstützung der Demokratie äußert oder im Gegenteil die Flucht aus solchen Systemen mit besonders ausgeprägten demokratischen Einstellungen verbunden ist, wird hier über die Zustimmung der Befragten zu unterschiedlichen Aussagen zu Regierungsformen und demokratischen Prinzipien ermittelt.“ (Studie, S. 1113)
Die Fragen an die Geflüchteten zur Einstellung zu Regierungsformen und ihrem Verständnis von Demokratie wurden an den World Values Survey angelehnt, was einen Vergleich mit der deutschen Bevölkerung und mit der Bevölkerung in den Herkunftsländern ermöglicht.
96 Prozent der Geflüchteten unterstützen die Aussage, dass man ein demokratisches System haben sollte. Eine Parallele zu den Antworten der deutschen Bevölkerung im World Value Survey. Auch in den beiden anderen Einstellungen zu Regierungsformen ähneln die Geflüchteten in Deutschland den Auffassungen der deutschen Bevölkerung. 21 bzw. 22 Prozent unterstützen die Auffassung „Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um eine Parlament und um Wahlen kümmern muss“. Eine Auffassung, die in den Herkunftsländern der Geflüchteten von 46 Prozent der Bevölkerung vertreten wird. Ebenso gibt es eine große Mehrheit (70 Prozent) in den Herkunftsländern, dass „Experten und nicht die Regierung entscheiden sollte, was für das Land das Beste sei“ – was von den Geflüchteten in Deutschland und der deutschen Bevölkerung zwar auch mehrheitlich gesehen wird, aber deutlich geringer (55 bzw. 59 Prozent).
Bei den fünf gefragten Einstellungen zur Demokratie sind bei zwei Themen die Unterschiede zum Herkunftsland besonders deutlich. „Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer“ unterstützen 92 Prozent der Geflüchteten wie der deutschen Bevölkerung, im Unterschied zu 67 Prozent in den Herkunftsländern. Und der Auffassung „Religionsführer bestimmen letztlich die Auslegung der Gesetze“ stimmen zwar 13 Prozent der Geflüchteten zu, aber auch 8 Prozent der deutschen Bevölkerung. In den Herkunftsländern sind es 55 Prozent der Menschen, die das unterstützen.