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Religionsmonitor 2023

Fowid-Notiz: Stehen die Kirchen in Deutschland vor einem weiteren Bedeutungsverlust? Dazu hat der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung erste Daten aus einer Umfrage im Sommer 2022 veröffentlicht: Religiöse Sozialisation, Gottesglaube, Gebetshäufigkeit und Gottesdienstbesuch haben sich seit 2012 verringert, ein Viertel der Kirchenmitglieder äußern aktuell eine feste Absicht, aus der Kirche auszutreten, unter den Jüngeren sind es 41 Prozent.

Wie die Bertelsmann-Stiftung mitteilte ist der „Religionsmonitor kompakt – Dezember 2022“ unter dem Titel „Die Zukunft der Kirchen – zwischen Bedeutungsverlust und Neuverortung in einer vielfältigen Gesellschaft Ergebnisse des Religionsmonitors 2023 – eine Vorschau“ verfügbar. Dazu heißt es u. a.:

„Laut aktuellem Religionsmonitor hat jedes vierte Kirchenmitglied im vergangenen Jahr über einen Austritt aus der Kirche nachgedacht. Jedes fünfte äußert eine feste Austrittsabsicht. Bei den 16- bis 24-Jährigen zeigen sich sogar 41 Prozent entschlossen, die Kirche zu verlassen, unter den 25- bis 39-Jährigen sind es 35 Prozent.
‚Der Trend, dass die Kirchen an gesellschaftlicher Relevanz verlieren, wird durch mehrere Faktoren geprägt: Erstens, die zunehmende Individualisierung, durch die traditionelle kirchliche Formen der Religiosität durch privatere Formen der Spiritualität ersetzt werden. Zweitens, die steigende Vielfalt der Bevölkerung infolge von Einwanderung, und, drittens, eine zunehmend kritische Sicht vieler Mitglieder auf die Kirche‘, sagt Religionsexpertin Yasemin El-Menouar.
So geben vier von fünf Kirchenmitgliedern, die eine Austrittsabsicht haben, an, dass sie das Vertrauen in religiöse Institutionen verloren haben. Bei den Austrittswilligen sind Katholik:innen mit zwei Dritteln überproportional vertreten. ‚Hier schlagen sich vermutlich die Missbrauchsskandale und die geringe Reformbereitschaft der römischen Kurie nieder‘, erklärt Stephan Vopel, unser Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Im Vergleich der Feststellungen des Religionsmonitors mit Daten aus 2012 und 2022 geht die Religiosität in allen befragten Dimensionen zurück. Der Anteil der religiös erzogenen sinkt von 45 auf 38 Prozent, der starke Gottesglaube verringert sich von 47 auf 38 Prozent und das Tägliche Gebet von 23 auf 17 Prozent. Parallel dazu steigt der Anteil derjenigen, die niemals beten von 32 auf 43 Prozent und der Anteil derjenigen die sich gar nicht als religiös sehen von 23 auf 33 Prozent.

Im Unterschied zu den üblichen Darstellungen, die das finanzielle Argument der Einsparung der Kirchensteuer als wesentliches Motiv für den Kirchenaustritt benennen, unterschieden sich die fest Austrittswilligen unter den Kirchenmitgliedern sowohl in der persönlichen Wichtigkeit von Religion und der Häufigkeit des Kirchgangs deutlich von den Kirchenmitgliedern ohne Austrittsabsicht. Für die Austrittwilligen sind es zudem die Skandale und deutlich ausgeprägtere Auffassungen, dass die Kirchen zu viel Macht und die kirchlichen Privilegien ungerecht.

Insofern ist die Schlussfolgerung der Bertelsmann-Stiftung pessimistisch.

„Die Ergebnisse des Religionsmonitors 2023 liefern Hinweise, dass das Christentum in Deutschland zu nehmend zu einer spirituellen Option unter vielen wird. Außerdem zeichnet sich ab, dass sich christliche Religiosität aus den Kirchen in den privaten Bereich zurückzieht. Mit Blick auf den hohen Anteil der Kirchenmitglieder, die aktuell eine Austrittsabsicht bekunden, ist davon auszugehen, dass die Kirchen noch schneller Mitglieder verlieren, als es die Freiburger Studie prognostiziert hat. Diese Perspektive stellt das historisch gewachsene Selbstverständnis der Kirchen auf den Kopf. Die Kirchen kommen angesichts dessen nicht umhin, heute ihre besondere gesellschaftliche Rolle kritisch zu reflektieren und sich in einer zunehmend religiös pluralen Gesellschaft neu zu verorten.“

(CF)