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Berlin: Religions- und Weltanschauungsunterricht 2023/2024

Die Tendenzen der Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Berlin sind stabil: Die Humanistische Lebenskunde hat die Teilnehmerzahlen weiter erhöht, der christliche Religionsunterricht verliert an Teilnehmern – sowohl evangelisch wie römisch-katholisch. Die Prognosen für den christlichen Religionsunterricht sind für die nächsten Jahre zudem nicht positiv.

Von Carsten Frerk.

Vorbemerkung
Datengrundlage
Entwicklung 1996/97 bis 2023/24
Daten im Schuljahr 2023/24
Bekenntnisangehörige / Teilnehmerzahlen
Prognose für den christlichen Religionsunterricht

Vorbemerkung

Die nachstehenden Teilnehmerzahlen am Religions- und Weltanschauungsunterricht sind kein Abbild der Konfessionen in Berlin. Es sind – als Ausdruck der Freiwilligkeit, d. h. ohne staatliche Beteiligung -, Übersichten über die Organisationen, die aufgrund eines eigenen Anspruchs weltanschauliche/religiöse Unterrichtsangebote realisieren/anbieten und wie viele Schüler daran freiwillig teilnehmen. Es folgt auch der Logik: Was nicht angeboten wird, kann auch nicht ausgewählt werden. Das Angebot beruht entsprechend auf dem Engagement der Trägerorganisationen des Unterrichtsangebot (Christliche Kirchen, Humanistischer Verband, Islamische Föderation, u. a. m.) ‚eigene‘ Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, den Unterricht zu organisieren, etc. und eine Mindestzahl von teilnehmenden Schülern zu erreichen.

Staatlicher Unterricht, der durchaus als weltanschaulich betrachtet werden kann – wie Ethikunterricht, AGs politische Philosophie, etc. – ist dem Neutralitätsprinzip verpflichtet und wird entsprechend nicht zu einem spezifischen Weltanschauungsunterricht gezählt.

Datengrundlage

Die Daten sind Teil der Zählungen der Schulstatistik durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie nach Beginn des jeweiligen Schuljahres (im Schuljahr 2023/24 am 22.9.2023). Die Ergebnisse der Auszählungen zur „Teilnahme am freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht an allgemeinbildenden öffentlichen und privaten Schulen“ wurden auf Anfrage übermittelt.

Entwicklung 1996/97 bis 2023/24

Seit dem Schuljahr 1996/97 bis zum Schuljahr 2023/24 gibt es vier Tendenzen: 1. Der evangelische Religionsunterricht verliert kontinuierlich an teilnehmenden Schülerinnen und Schülern. 2. Die humanistische Lebenskunde verzeichnet Jahr um Jahr kontinuierlich mehr teilnehmende Schüler. 3. Der katholische Religionsunterricht zeigt in den Teilnehmerzahlen eine langjährige Konstanz, seit 2018 kommen aber auch weniger Teilnehmer in den Unterricht. 4. Die von der Teilnehmerzahl kleineren Angebote bleiben klein, auch wenn sie – wie der Islamische Religionsunterricht – ein größeres Angebot/Nachfrage haben könnten.

Der evangelische Religionsunterricht hat in diesem Zeitraum (1996/97 bis 2023/24) rund 32 Prozent an Teilnehmern verloren (von 99.379 auf 68.029), der Humanistische Verband, der 1984 mit dem ersten Angebot an die Schulen ging, vergrößerte in der Lebenskunde die Anzahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler um mehr als das Vierfache (von 17.369 auf 73.117) und verzeichnet seit dem Schuljahr 2022/23 die höchste Anzahl an teilnehmenden Schülern. Der katholische Religionsunterricht hat auf geringerem Niveau Rückgänge (von 24.069 auf 19.392) und die Islamische Föderation konnte mit ihrem Unterrichtsangebot (seit 2003) auf niedrigem Niveau mehr Schüler ‚ansprechen‘: von 1.258 auf 6.503. (Vgl. Tabellen 1, am Schluss des Textes.)

Der Anteil aller Schülerinnen und Schüler, die freiwillig (oder auf Wunsch der Eltern) am Religions- oder Weltanschauungsunterricht teilnehmen ist seit 1996/98 (34 Prozent) bis zum Beginn der 2010er Jahre (52 Prozent) angestiegen und verringert sich seitdem wieder. (Vgl. Tabellen 2)


Daten im Schuljahr 2023/24

Im aktuellen Schuljahr nehmen 43,4 Prozent der Schüler am Religions-/Weltanschauungsunterricht teil, mit den beiden großen Gruppen: Humanistische Lebenskunde (18,4) und Evangelischer Religionsunterricht (17,1 Prozent).

Bezieht man die Teilnehmerzahlen nur auf den Religions-/Weltanschauungsunterricht, so werden die beiden ‚Marktführer‘ noch deutlicher.

In der Verteilung auf die vier ‚Schultypen‘ (Grundschulen, Integrierte Sekundarschulen, Sonderschulen, Gymnasien) zeigen sich die Unterschiede, dass die Humanistische Lebenskunde an den Grundschulen gut 50 Prozent (52,3) des Unterrichtsangebots realisiert, während die Religionsunterrichte auch an den anderen drei Schultypen präsent sind. (Tabelle 3)

Bezogen auf die Anzahl der erreichten Schülerinnen und Schülerinnen werden diese Unterschiede noch deutlicher. (Tabelle 4)

Die ‚Schwerpunktsetzung‘ des Religions-/Lebenskundeunterrichts an den Grundschulen zeigt sich zum einen in dem 74-Prozent-Anteil der Grundschulen und zum anderen in der Verteilung des Lebenskundeunterrichts, der zu 92 Prozent an den Grundschulen realisiert wird.

Die Humanistische Lebenskunde versteht sich als Reformpädagogik, an die sich an die Grundschule der Ethikunterricht in der Sekundarstufe anschließt.

Diese ‚asymmetrischen‘ Verteilungen zeigen sich auch im Vergleich der Teilnehmerzahlen im Vergleich zu den Gesamtschülern an den vier Schultypen. Während annähernd die Hälfte der Schüler (48 Prozent) die Grundschulen besuchen, findet dort drei Viertel (74 Prozent) des Religions-/Lebenskundeunterrichts statt.


Bekenntnisangehörige / Teilnehmerzahlen

Die eingangs benannte Feststellung, dass die Teilnehmerzahlen an den Unterrichtsangeboten keine Beschreibung der Konfessionsverteilung in Berlin sind, wird auch darin verdeutlicht, wenn man die Teilnehmer am Religionsunterricht an den Grundschulen mit den in Berlin lebenden 6-11-jährigen Bekenntnisangehörigen vergleicht. Von den rund 54.000 teilnehmenden Schülerinnen und Schülern sind rund 24.000 evangelische oder katholische Bekenntnisangehörige. Was heißt, dass mehr als doppelt so viele Schüler an den Grundschulen am Religionsunterricht teilnehmen, als Bekenntnisangehörige vorhanden sind.

Grundlage für diesen annähernden Abgleich zwischen den Zahlen der Teilnehmer am Religionsunterricht im jeweiligen Schuljahr in den Altersgruppen der Schultypen (Grundschulen 6-11 Jahre, Integrierte Sekundarschulen, ISS (12-15 Jahre), Gymnasien (12-18 Jahre) und den Bekenntnisangehörigen im entsprechenden Alter/den Altersgruppen ist die Einwohnerregisterstatistik am Jahresende durch das Statistische Amt Berlin-Brandenburg für die Bevölkerung (z. B. für 2023).  Die Auswertung der Registerangaben nach Religionszugehörigkeit und Alter erfolgte auf Anfrage.

Der Abgleich kann nur annähernd erfolgen, da die Jahrgangsstufen 1 – 6 (= 6-11 Jahre) zwar weitestgehend in den Grundschulen zur Schule gehen, aber teilweise ab der Jahrgangsstufe 5-6 bereits an den ISS bzw. den Gymnasien lernen. Das Gleiche gilt für die Jahrgangsstufe 7-12 (weitestgehend Gymnasien, 12-18 Jahre), da in der Altersstatistik der Bekenntnisangehörigen auch die Berufsschüler enthalten sind. (Vgl. Tabelle 5)

Prognose für den christlichen Religionsunterricht

Die Annahme/Hoffnung, dass sich die Nachfrage nach dem christlichen Religionsunterricht stabilisieren oder zum Positiven verändern könnte, hat keine empirische Grundlage. Die Feststellungen in der Einwohnermeldestatistik Ende 2023 sprechen dagegen. (Tabelle 6)

Die christlichen Kirchenmitglieder, die in der Gesamtbevölkerung mit einem 19,1 Prozentanteil der Bevölkerung gezählt werden (12,1 Prozent EKD-Evangelische, 7,1 Prozent römische Katholiken), werden in den Altersgruppen der 0-14-Jährigen nicht erreicht – mit der weiteren Tendenz, dass die Anteile der Bekenntnisangehörigen sich bei den Jüngeren kontinuierlich verringern: sind es bei den 14-Jährigen noch zusammen 15,9 Prozent (9,0 Prozent EKD-Evangelische und 6,9 Prozent Katholiken) so sind es bei den 6-Jährigen, die schulpflichtig werden, noch 9 Prozent. Bei den Berlinern, die Ende 2023 ein Jahr alt sind, sind nur noch 4 Prozent getaufte Kirchenmitglieder. In absoluten Zahlen: Von 34.782 Kindern in Berlin, die Ende 2023 ein Jahr alt sind, wurden 752 als evangelisch und 798 als römisch-katholisch gezählt, von den Unter-Ein-Jährigen sind es 170 und 339 Kinder oder 1,7 Prozent dieses Jahrgangs.
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Tabellen:

(Die in den Tabellen enthaltenen Daten befinden sich als auslesbare Daten in der Excel-Datei im Anhang).