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Religions- und Ethikunterricht 2023/2024

Fowid-Statistikbeobachter: Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat die Auswertungen für die Teilnahme am Religions- und Ethikunterricht für das Schuljahr 2023/24 publiziert. Ebenso wie in den Religionszugehörigkeiten der Bevölkerung zeigt sich der Rückgang in den Anteilen der teilnehmenden Schülerinnen und Schülern am christlichen Religionsunterricht seit dem Schuljahr 2015/16 (von 64 auf 53 Prozent). Parallel dazu steigt der Anteil der Schüler am Ethikunterricht (von 15 auf 26 Prozent).

1. Datenbasis
2. Anteile
3. Bekenntnisangehörige / Teilnehmerzahlen

1. Datenbasis

Die Daten erfassen jedoch nicht alle Unterrichtsangebote und alle Bundesländer. So gibt es beispielsweise zu Hamburg nur Daten zu dem dort praktizierten „Religionsunterricht für alle“, die in der KMK-Statistik unter „übergreifender Religionsunterricht“ erfasst werden:

„Der Religionsunterricht in Hamburg ist ordentliches Lehrfach auf Grundlage von Art. 7 Abs. 3 GG und § 7 HmbSG. Seine Inhalte werden zurzeit von der evangelischen Kirche verantwortet, als „Religionsunterricht für alle“ richtet er sich jedoch an alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihrer Konfession. Seit 2013 wird er so weiterentwickelt, dass er zukünftig in gleichberechtigter Verantwortung der ev.-luth. Kirche in Norddeutschland, der jüdischen Gemeinde Hamburg, der muslimischen Religionsgemeinschaften DITIB, SCHURA Hamburg und VIKZ sowie der alevitischen Gemeinde Deutschland erteilt wird. Fast alle Schülerinnen und Schüler nehmen zurzeit an ihm teil (Abmeldequote ca 0,1%). Ab Jahrgang 7 wird Religion in Wahlpflichtalternative zu Philosophie angeboten. An sehr wenigen Schulen wird außerdem ein separater katholischer Religionsunterricht erteilt.“

Der Wert der Daten beruht jedoch darauf, dass die Kriterien der Datenerfassung weitgehend gleichgeblieben sind und insofern eine Entwicklungstendenz belegt werden kann.

Eine weltanschauliche Schieflage zeigt sich jedoch darin, dass für das Schuljahr 2015/16 unter „Sonstiger Ersatzunterricht“ erfasst sind:

„BE: Humanistischer Lebenskundeunterricht; Träger Humanistischer Verband Deutschlands und sonstiger Weltanschauungsunterricht. BB: Humanistische Lebenskunde. NI: Werte und Normen. MV: Der sonstige Ersatzunterricht beinhaltet Fächer aus dem sprachlich-literarisch-künstlerischem, gesellschaftswissenschaftlichem und dem mathematisch-naturwissenschaftlichem Aufgabenfeld sowie Förderunterricht und Sport.“

Die Humanistische Lebenskunde in Berlin – die ein eigenständiger säkularer Weltanschauungsunterricht ist - wird danach, seit dem Schuljahr 2019/20, unter „sonstiger Religionsunterricht“ subsummiert, was sachlich ebenso schlicht falsch ist.

2. Anteile

Nach den Angaben in den KMK-Diagrammen beträgt der Anteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Religionsunterricht im Schuljahr 2023/24 rund 60 Prozent, darunter 54 Prozent am Religionsunterricht christlicher Bekenntnisse. (Tabelle 2.1.)

Im Schuljahr 2015/16 betrug der Anteil am Religionsunterricht noch 74 Prozent, davon 69 Prozent christlich.

Im gleichen Zeitraum steigt der Anteil der Schüler, die am Ethikunterricht teilnehmen, von 15 auf 26 Prozent.

In acht Jahren (2015/16 bis 22023/24) ist das eine Verringerung der Teilnehmer am Religionsunterricht um 14 bzw. 15 Prozentpunkte, was einem Durchschnitt der Verringerung um rund 1,8 Prozentpunkte jährlich entspricht. Bezieht man die Anteile auf eine eigene Berechnung (Tabelle 2.2.) aufgrund der absoluten Zahlen (Tabelle 1), so bleibt die Tendenz gleich, nur die Verringerungen sind weniger hoch: 9 (69:60) bzw. 10 Prozentpunkte (64:54). Das entspricht dem allgemeinen Rückgang der Kirchenmitglieder um 1,3 Prozentpunkte (56:46).

Bemerkenswert bei den Anteilen ist es, dass die Anteile der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am christlichen Religionsunterricht deutlich höher sind als die Anteile in der Bevölkerung und zudem, dass die Anzahl der Teilnehmer am evangelischen Religionsunterricht höher ist als die der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am katholischen Religionsunterricht.

3. Teilnehmerzahlen / Bekenntnisangehörige

Die von der KMK referierten Teilnehmerzahlen stehen für das, was sie sind: die Anzahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler. Sie stehen nicht für die Anzahl der Bekenntnisangehörigen unter den Schülern.

Für die Teilnehmerzahlen am Religions- und Weltanschauungsunterricht in Berlin im Schuljahr 2023/24 war es möglich, die Daten des Einwohnermelderegisters für das Land Berlin mit den Daten der Berliner Schulstatistik abzugleichen.

Die Feststellung, dass die Teilnehmerzahlen an den Unterrichtsangeboten keine Beschreibung der Konfessionsverteilung in Berlin sind, wird darin verdeutlicht, wenn man die Teilnehmer am Religionsunterricht an den Grundschulen mit den in Berlin lebenden 6-11-jährigen Bekenntnisangehörigen vergleicht. Von den rund 54.000 teilnehmenden Schülerinnen und Schülern sind nur rund 24.000 evangelische oder katholische Bekenntnisangehörige. Was heißt, dass beinahe mehr als doppelt so viele Schüler an den Grundschulen am Religionsunterricht teilnehmen, als altersentsprechend Bekenntnisangehörige vorhanden sind.

Die Gründe für dieses Phänomen sind noch nicht untersucht worden. Es spricht jedoch dafür, dass das Sekretariat der KMK - das ja auch nicht in der Lage ist, die Humanistische Lebenskunde in Berlin korrekt einzuordnen -, hier bewusst eine christliche Religionspolitik betreibt, indem die Bedeutung und das Interesse am bekenntnisgebundenen Religionsunterricht, der „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ (Grundgesetz, Art 7) erteilt wird, als vermeintliche Bekenntniszugehörigkeit zu hoch angesetzt werden.

Carsten Frerk.

Tabellen

(Die auslesbaren Daten befinden sich in einer Excel-Datei im Anhang)