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Schweden: Kirche, Religion, Nicht-Religiöse 1973-2024

In Schweden sind die Unterschiede zwischen den formalen Zugehörigkeiten (60 Prozent sind Mitglied einer Religionsgemeinschaft) und den persönlichen Orientierungen (76 Prozent verstehen sich als Nicht-Religiöse/Atheisten) benennbar. Kirchenmitgliedschaft als kulturelles Traditionsmerkmal, dass sich im Laufe der vergangenen 50 Jahre halbiert hat und sich kontinuierlich verringert.

1. Formale Kirchenmitgliedschaft
2. Kleinere Religionsgemeinschaften
3. Formal Nicht-Religiöse
4. Persönliche Religiosität, 2010 - 2024

1. Formale Kirchenmitgliedschaft

Die Entwicklung in Schweden hat Ähnlichkeiten zu der Situation in Norwegen und in Island. Da es keine offizielle Erfassung der Religionszugehörigkeiten gibt, müssen mehrere Datenquellen zusammengesetzt werden. Die Daten zur Bevölkerung: 1972-2012 bzw. 2013-2024 werden vom staatlichen Statistikamt erfasst. Die Zahlen für die Evangelisch-lutherische Kirche in Schweden – bis zum Jahr 2000 Staatskirche – beruhen auf den Statistiken der Evangelischen Kirche zu Mitgliedern, Kasualien, Gottesdienstbesuch.

Der Anteil der Mitglieder an der Bevölkerung verringert sich im betrachteten Zeitraum1974 bis 2024 kontinuierlich von 95 Prozent (1974) auf 52 Prozent (2024). (s. Tabelle 1 im Anschluss)

Eines der wesentlichen Elemente für diese Entwicklung sind die Kirchenaustritte. (s. Tabelle 1.3.)

Zur Entwicklung der Anzahl der Kirchenmitglieder heißt es u. a.: „Im Jahr 1999 gab es in traditionell freikirchlichen Regionen viele Austritte. ‚Doppelt angeschlossene‘ Freikirchenmitglieder entschieden sich angesichts der veränderten Beziehungen zwischen Kirche und Staat, die am 1. Januar 2000 in Kraft traten, aus der Schwedischen Kirche auszutreten. Seit 2001 treten viele im Zusammenhang mit der Steuererklärung und dem Steuerbescheid aus.“

Ein weiterer Faktor ist das entstandene ‚Taufdefizit‘, d. h. es gibt seit 1995 durchgehend mehr Bestattungen als Taufen. (s. Tabelle 1.4)

Fasst man beide Einflussgrößen zusammen – Austritte und Taufdefizite – so sind die Mitgliedsveränderungen seit 1991 plausibel erfasst. (Die ‚Turbulenzen‘ vorher werden nicht erläutert.)

Eine weitere Einflussgröße sind die nicht erfolgten Konfirmationen von getauften Kirchenmitgliedern. (s. Tabelle 1.5.) Betrug dieser Anteil der getauften Kirchenmitglieder, die sich nicht taufen ließen, 1970 noch 17 Prozent, so ist er nach der Jahrtausendwende auf 60 Prozent angestiegen.

Diese nicht erfolgten Konfirmationen lassen sich als Indikator für eine nachlassende Identifikation mit der Schwedischen Kirche interpretieren, d. h. einer größer werdenden Bereitschaft, auszutreten.

Fasst man diese Entwicklungen zusammen, zeigt sich, dass sich – nach der Beendigung des Status der Staatskirche ab dem Jahr 2000 – der Anteil des Mitgliederrückgangs von 0,5 auf 1 – 1,5 Prozent vergrößert hat.


2. Kleinere Religionsgemeinschaften

Für die Entwicklung aller anderen Religionsgemeinschaften – neben der Evangelischen Kirche in Schweden - besteht ein Zusammenhang mit der Migration nach Schweden. Sowohl für die Anzahl der Ausländer (Statistikamt) wie für die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaften werden durch die „Behörde zur Unterstützung von Glaubensgemeinschaften“ (Myndigheten för stöd till trossamfund) z. B. im Jahresbericht für 2021 die für die Förderung anspruchsberechtigten Religionsgemeinschaften und die Anzahl der von ihnen betreuten Personen genannt. (s. Tabelle 5). Bis auf die ‚Turbulenzen in den schwedischen Freikirchen (1980/1990er Jahre) verläuft die Entwicklung der Anzahl der Ausländer und der kleineren Religionsgemeinschaft tendenziell parallel.

Der Anteil der kleineren Religionsgemeinschaften hat sich seit 1975 (5,0 Prozent) auf 8 Prozent erhöht. (s. Tabellen 2 und 3).

Auf Basis der Studie von Erika Willander: „Religious Landscape in Sweden – Affinity, Affiliation and Diversity in the 21st Century“ (2019) zeigen sich die Veränderungen innerhalb dieser 8-Prozent-Gruppe (s. Tabelle 4): Die Anteile der Freikirchen sinken (von 58 auf 31 Prozent) ebenso wie die der Lutherischen Kirche (von 12 auf 7 Prozent), die der Orthodoxen steigen (von 10 auf 18 Prozent) ebenso wie die Anteile der Muslime (von 3 auf 22 Prozent).


3. Formal Nicht-Religiöse

Aus den staatlichen Daten zu den kleineren Religionsgemeinschaften und den Daten der Schwedischen Kirche für ihre Mitglieder ergibt sich der Anteil der ‚Anderen‘, der formal Nicht-Religiösen, mit rund 40 Prozent (im Jahr 2024).

Dieser Anteil von 60 Prozent ‚Religiöse‘ im Jahr 2024 (52 Prozent Mitglieder der Evangelischen Kirche und 8 Prozent der Kleineren Religionsgemeinschaften) steht im Kontrast zu den religionsbezogenen Selbstbeschreibungen der schwedischen Bevölkerung, die diametral anders ist.

4. Persönliche Religiosität, 2010-2024

Für den Zeitraum 2010 bis 2024 liegen mehrere Umfragen vor, die sich mit Fragen der Religion beschäftigen.

2010 geben für die Fragen nach einem Gottesglauben 34 Prozent der Schweden in einem Eurobarometer (S. 381) ‚zu Protokoll‘, dass sie nicht an „einen Gott, Geist oder Kraft glauben, die das Leben lenkt.“ (s. Tabelle 7)

2012 beschreiben – im Eurobarometer 393 - 43 Prozent der Schweden sich selbst als „Nicht-Religiös“ (30 Prozent) bzw. Atheist (13 Prozent). (s. Tabelle 8)

2017 bekunden 73 Prozent der Schweden in einer PEW-Umfrage („Being Christian in Western Europe“) (aufgrund Frage 16), dass ihnen Religion „nicht wichtig“ sei. (s. Tabelle 9)

2020 wird im Eurobarometer 508 „Values and Identities of EU citizens” nach der Identifikation mit der eigenen Religion gefragt und 59 Prozent der Schweden sagen „Keine“.

Im „European Social Survey (ESS) 2023“ hat Schweden wiederum die ‘Spitzenposition‘ in geringer Religiosität.

Ende 2024 fragte Gallup-International in: “Global Opinion on Religion” nach der religiösen Selbstbeschreibung und Schweden hat den höchsten Anteil (76 Prozent) „Nicht-Religiöse/Atheisten“. (s. Tabelle 11)


(Carsten Frerk)

Tabellen

(Im Anhang befindet sich eine Excel-Datei mit den auslesbaren Daten)