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Glaubenspraxis in der Schweiz

Das staatliche Bundesamt für Statistik erhebt für die Schweiz Daten der Bevölkerung zu Sprache, Religion und Kultur. Die Ergebnisse zeigen die Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Situationen in der Schweiz. Deutlich werden auch Trends, die aus der Forschung in Deutschland bekannt sind, Informationen wie religiös die Kirchenmitglieder sind und dass sich unter den Konfessionsfreien auch Religiöse befinden.

Unter der Federführung des Bundesamtes für Statistik (BFS) der Schweiz hat 2014 erstmalig eine Erhebung zur Sprache, Religion und Kultur (ESRK) stattgefunden, die alle fünf Jahre wiederholt werden soll. Befragt werden 10.000 Personen der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Auf dem Forschungsprogramm stehen auch Fragen zur „Religiosität / Spiritualität der Zielperson, aktuelle und frühere Zugehörigkeit zu einer Kirche oder zu einer religiösen Gemeinschaft, Religiöse Praxis (Gottesdienste, Gebet, Meditation und andere religiöse oder spirituelle Erfahrungen), Zugehörigkeit des Partners / der Partnerin, der Eltern und der Kinder, Praxis und Zugehörigkeit in der Kindheit, persönlicher Glaube, Bedeutung der Religion oder der Spiritualität, der religiösen Gebote im Alltagsleben.“ Die Ergebnisse für 2014 zeigen die Vielfalt der religiösen und weltanschaulichen Situationen in der Schweiz.

Gottesdienstbesuch

Der regelmäßige Gottesdienstbesuch gehört zu den zentralen Indikatoren einer Kirchenbindung. In der Schweiz geht (2014) die große Mehrheit (71 Prozent) der Bevölkerung im Jahr zwischen 1 und 5mal in einen Gottesdienst. Nach den Konfessionsfreien sind es vor allem die Muslime, die in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung niemals (46 Prozent) in einen Gottesdienst ihrer Religion gegangen sind.

Die evangelikalen Christen besuchen zu drei Viertel (72 Prozent) mindestens einmal pro Woche den Gottesdienst, bei den Katholiken sind die Kirchenmitglieder die größte Gruppe (26 Prozent) die alle ein bis zwei Monate in die Kirchen und bei den Protestanten geht die Hälfte ein- bis fünfmal im Jahr zum Gottesdienstbesuch.

Häufigkeit des Betens

Ein Indikator für die gelebte Religiosität ist die Antwort auf die Frage ob und wenn ja, wie häufig ein Mensch betet. Knapp ein Drittel der Katholiken (30 Prozent) gibt an, täglich zu beten, gegenüber 26 Prozent der Katholiken, die niemals beten. Bei den Protestanten sind es 26 Prozent, die täglich oder fast täglich beten gegenüber 34 Prozent der Protestanten, die niemals beten. Bei den Muslimen sind es 40 Prozent, die niemals beten, und bei den Konfessionsfreien, bei denen man eigentlich keine Religiösen erwartet, sind es 20 Prozent, die beten.

In allen Religionsgemeinschaften, wie auch bei den Konfessionsfreien, beten die Frauen häufiger als die Männer des gleichen Bekenntnisses.

Bedeutung der Religion oder der Spiritualität im Alltag

Religion oder Spiritualität spielte bei mehr als jeder zweiten Person (56 Prozent) eine eher oder sehr wichtige Rolle in schwierigen Momenten des Lebens und bei 47 Prozent im Falle einer Krankheit.

Ebenso ist es bei der Einstellung gegenüber Natur und Umwelt („Schöpfung bewahren“) für die bei 47 Prozent der Befragten eher oder sehr wichtig ist, was auch 53 Prozent der Befragten hinsichtlich der Erziehung von Kindern sagen („Christliche Werte“). Im Berufsleben spielen religiöse oder spirituelle Aspekte nur für ein Viertel (23 Prozent) der Befragten eine wichtige Rolle; hinsichtlich des Sexuallebens ist Religion/Spiritualität für 16 Prozent der Menschen wichtig, ebenso wie für 13 Prozent in Ernährungsfragen.

Glaube an Gott oder an eine höhere Macht

Deutlich wird, dass es sich bei den Angehörigen „anderer Religionen“ nicht um Christen und Muslime handelt, da jeder fünfte an mehrere Götter glaubt. Die Evangelikalen und die Muslime sind die ausgeprägten Monotheisten (90 bzw. 92 Prozent glauben an einen einzigen Gott). Bei den Katholiken sind es knapp 60 Prozent, bei den Evangelischen 45 Prozent, die an einzigen Gott glauben; die „Transzendentalen“, die an eine „höhere Macht“ glauben (Katholiken 20 Prozent, Evangelische 39 Prozent) sind die jeweils zweitgrößte Gruppe, gefolgt von den Agnostikern und von 5 bzw. 8 Prozent, die an keine Götter oder Mächte glauben. (Eine Verteilung, die der in Deutschland ähnelt – Link: Gottesglaube nach Religionszugehörigkeit). Und bei den konfessionsfreien Schweizern stellen die „Gottlosen“ (mit 32 Prozent) nicht die Mehrheit, sie sind ebenso groß wie die Gruppe der „Transzendentalen“, wie auch 12 Prozent der Konfessionsfreien an einen einzigen oder mehrere Götter glauben.

Metaphysischer Glaube

Generell sind Frauen stärker metaphysisch orientiert als die Männer in der Schweiz. Mehr als die Hälfte der Frauen in der Schweiz (62 Prozent) glauben an „eine höhere Macht, die unser Schicksal beeinflusst“. Mehr als jede Zweite (58 Prozent) glauben „an Engel oder übernatürliche Wesen, die über uns wachen“ und ebenso ist für eine Mehrheit (56 Prozent) klar, dass es wahrscheinlich bzw. sicher ist, „dass es Personen gibt, die über die Gabe des Heilens oder Hellsehens verfügen“. Bei den Männern findet kein Aspekt dieser Metaphysik des Glaubens eine Mehrheit, auch wenn ihre „Ja“ und „Nein“- Antworten einen ähnlichen Muster folgen wie dem der Frauen, nur auf einem geringeren Niveau. Nur einige Gläubige, bei den Frauen wie bei den Männern, finden sich für eine „Wiedergeburt“ oder an eine „Kontaktaufnahme mit Geistern der Verstorbenen“.

Evolutionstheorie

Die Befürworter der Auffassung, dass die Evolutionstheorie die schlüssigste Erklärung für den Ursprung des Menschen liefert, wird (mit „sicher ja“ und „eher ja“) von der Mehrheit der Katholiken wie Protestanten (53 bzw. 54 Prozent) unterstützt, ebenso wie von den Mitgliedern anderer christlicher Religionen (52 Prozent) sowie anderer Religionen (61 Prozent) und zwei Dritteln (69 Prozent) der Konfessionsfreien. Nur bei den Evangelikalen und den Muslimen sind diejenigen, die die Evolutionstheorie ablehnen, in der Mehrheit, die Befürworter sind in der Minderheit (mit 14 Prozent bei den Evangelikalen und 26 Prozent bei den Muslimen.)

Bemerkenswert ist bei dieser Frage der hohe Anteil derjenigen, die sich dazu („Weiß nicht“) noch keine Position angeeignet haben. Bei den Muslimen sind es rund 30 Prozent, bei den Katholiken und Protestanten rund 20 Prozent.

Glaube an ein Leben nach dem Tod

Für die absolute Mehrheit der Evangelikalen steht überhaupt nicht zur Diskussion, ob es ein Leben nach dem Tod, gibt, sie sind sich da (zu 82 Prozent „sicher ja“ bzw. „eher ja“) recht sicher. Das haben sie gemeinsam mit zwei Dritteln (67 Prozent) der Muslime. Bei den Katholiken ist es noch eine knappe Mehrheit (53 Prozent) für die das Leben mit dem Tod nicht endet, die Protestanten sind in dieser Thematik (mit 47 Prozent) in der Minderheit. Von den Konfessionsfreien glauben, trotz Konfessionsfreiheit, ein knappes Drittel (29 Prozent) ehr oder sicher an ein Leben nach dem Tod.

Auch hier ist die hohe Anzahl von Befragten, die dazu keine Meinung haben, bemerkenswert.

Fazit

Diese und weitere Befunde zur „konfessionellen Landschaft in der Schweiz“ zeigen – ebenso wie in Deutschland -, dass die ‚Koordinaten‘ der formalen Kirchenmitgliedschaften - oder als Konfessionsfreie - immer weniger die ‚religiöse Landschaft‘ inhaltlich korrekt beschreiben können. Als grobe Orientierung hinsichtlich Mehrheiten mögen sie überwiegend noch dienen, in detaillierteren Facetten besagten sie nichts, außer, dass in den großen Religionsgemeinschaften des Christentums die Kirchenmitglieder andere Auffassungen haben, als es die Lehrmeinungen als Glaube vorgeben.

(CF)