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Konfessionsfreie in der Schweiz 2021

Die Vergrößerung des Anteils der Konfessionsfreien in der Schweiz hat sich in den vergangenen vier Jahren mit jeweils 1,4 Prozentpunkten Zuwachs so beschleunigt, dass sie 2021 mit den römischen Katholiken beinahe gleichauf liegen (32,9 vs. 32,3 Prozent). Insofern vergrößert sich der Anteil der Konfessionsfreien doppelt so schnell, wie sich für die beiden großen Kirchen die Mitgliederzahl verringert.

1. Generelles / Trends
2. Demografische Merkmale
3. Stadt-Land-Verteilung
4. Homogenität der Heiraten

1. Generelles / Trends

In den Ergebnissen der Strukturerhebung 2021 „Religionszugehörigkeit seit 1910“, die Ende Januar 2023 vom Bundesamt für Statistik der Schweiz veröffentlicht wurde, setzt sich der Trend der Konfessionsfreien in der Schweiz 2018 (mit 27,9 Prozent die zweitgrößte Weltanschauungsgruppe) weiter fort und der Anteil liegt nahezu gleichauf mit dem der römischen Katholiken (32,9 vs. 32,3 Prozent).

Schreibt man diese Entwicklung fort und setzt die Veränderungen in den vergangenen vier Jahren an – römische Katholiken und Evangelisch-Reformierte jeweils minus 0,7 Prozentpunkte pro Jahr, Konfessionsfreie plus 1,4 Prozentpunkte – so werden die Konfessionsfreien Ende 2022 mit 33,7 Prozent die größte Gruppe bilden, gefolgt von den römischen Katholiken (32,2 Prozent) und den Evangelisch-Reformierten mit 20,4 Prozent.

Rein statistisch gesehen beruht der Anstieg des Anteils der Konfessionsfreien also mit gleich großen Verringerungen bei den römischen Katholiken wie bei den Evangelisch-Reformierten. Anders gesagt, steigt der Anteil der Konfessionsfreien doppelt so schnell, wie die beiden großen Kirchen an Mitgliedern verlieren. Ihnen gemeinsam sein dürften die „Generationen abnehmenden Glaubens“ sein, dass jede Generation etwas weniger religiös ist.

„Die These der Kohorten-Säkularisierung kann für christliche Religiosität bestätigt werden: Die Säkularisierung entsteht zu einem wichtigen Teil, weil jede neue Generation etwas weniger religiös ist. Es handelt sich um „Generationen abnehmenden Glaubens“. Hingegen finden wir keine Hinweise darauf, dass viele Personen ihren Glauben behalten und nur die Kirchenmitgliedschaft ablegen („believing without belonging“). Auch eine holistisch-spirituelle Revolution hat nicht stattgefunden.“

Die Evangelischen Freikirchen der Schweiz (Gesamtanteil rund 1,6 Prozent) erklären zu diesen Zahlen: „Die Freikirchen entwickeln sich gegen den Trend“.

„Wie eine Auswertung des Dachverbandes Freikirchen.ch von 2019-2022 zeigt, haben sie sich in den letzten drei Jahren stabil entwickelt: Rund ein Drittel sind gleich gross geblieben, ein Drittel sind leicht abnehmend und ein Drittel wachsend.“

2. Demografische Merkmale

Hinsichtlich demografischer Merkmale haben Konfessionsfreie und Muslime, im Unterschied zu den römischen Katholiken und die Evangelisch-Reformierten, einen höheren Anteil von Männern (jeweils 53 Prozent) und einen jüngeren Altersaufbau. Sind bei den Muslimen (65 Prozent) und den Konfessionsfreien (53 Prozent) jünger als 44 Jahre, so ist die Mehrheit der römischen Katholiken (60 Prozent) und der Evangelisch-Reformierten (66 Prozent) älter als 45 Jahre.

Dabei sind allerdings die Größenordnungen insgesamt zu berücksichtigen, da die Muslime beispielsweise zu den Konfessionsfreien eine Relation von 1:6 haben. Bei den Evangelisch-Reformierten zeigt sich der gleiche Unterschied wie in Deutschland, dass die Evangelischen älter sind als die römischen Katholiken.

Bei den höchsten abgeschlossenen Ausbildungen zeigt sich der Unterschied zwischen den Anhängern des Islam und den Christen wie Konfessionsfreien deutlich. Während knapp die Hälfte der Muslime (47 Prozent) ihre Ausbildung mit der obligatorischen Schule abgeschlossen haben, sind es bei den Konfessionsfreien eine gleiche Größenordnung (46 Prozent), die eine Ausbildungsabschluss in der Tertiärstufe nennen.


3. Stadt-Land-Verteilung

Auch wenn die Unterschiede zwischen Stadt und Land geringer werden, so sind sie immer noch sichtbar. Der Anteil der Schweizerinnen und Schweizer, die in Großstädten leben (63 Prozent) ist für die Anhänger von Islamischen Religionsgemeinschaften höher (78 Prozent), ebenso wie bei den kleineren Religionsgemeinschaften (69 Prozent) und den Konfessionsfreien (67 Prozent).

Eine Verteilung, wie sich auch in der letzten Volkszählung 1987 für Deutschland darstellt: die Wohnpräferenz der Muslime und der Konfessionsfreien in urbanen Ballungsräumen. Während der Aspekt der Gemeinschaftsbildung für die traditionellen christlichen Religionsgemeinschaften auch im ländlichen Raum realisiert werden kann, bevorzugen die Muslimen die urbanen ‚Communities‘, während die Konfessionsfreien gerade das nicht suchen, denn „Stadtluft macht (auch) frei“.

In den Städten wird der Vorgang der Säkularisierung durchgehend deutlich, da die Anteile der Konfessionsfreien kontinuierlich ansteigen.

Den 50-Prozent-Anteil haben Basel (2017: 50,1 Prozent) und Neuchâtel (2018: 50,7 Prozent) bereits überschritten, als nächstes wird es (voraussichtlich 2023/24) in Genf sein.

4. Homogenität der Heiraten

Auch wenn die Anzahl der nicht-ehelichen Geburten in der Schweiz kontinuierlich ansteigt, so beläuft sich der Anteil der nicht-ehelichen Geburten an allen Geburten (2020) auf 27,7 Prozent, was sich im europäischen Vergleich als der niedrigste Werte darstellt. Der EU-Durchschnittswert liegt bei 42,7 Prozent nichtehelicher Geburten.

Insofern haben die Eheschließungen in der Schweiz unter weltanschaulichem Aspekt auch die Frage nach einer Perspektive der ‚Bestandserhaltung‘ durch Kinder in weltanschaulich homogenen Ehen, in denen die Frage der Weltanschauung/Religion kein Problem ist und die Konfessionsfreiheit mit großer Wahrscheinlichkeit weitergegeben wird.

Für das Jahr 2021 zeigt sich, dass die Evangelisch-Reformierten den geringsten Anteil an religiös homogenen Ehen haben (48 Prozent), die römischen Katholiken einen deutlich höheren Anteil (62 Prozent), der dem der Konfessionsfreien entspricht (60 Prozent). Die konfessionsfreien Ehefrauen realisieren dabei eine höhere weltanschauliche Homogenität (68 Prozent), als die konfessionsfreien Ehemänner. (60 Prozent).

Die kleineren Religionsgemeinschaften, zu denen auch die muslimischen Gemeinschaften des Islam zählen, weisen dagegen eine hoch höhere Homogenität auf, die 80 Prozent und mehr beträgt.

Beschränkt man die Datenanalyse auf die Konfessionsfreien, so zeigen sich für den Zeitraum 1991–2020 vier Aspekte: Zum einen steigt der Anteil konfessionsfrei homogener Ehen von 2,8 auf 12,6 Prozent, zum anderen gibt es durchgehend mehr konfessionsfreie Ehemänner. Drittens – die Anzahl der konfessionsfreien Frauen, die heiraten wollen, wird im Laufe der Jahre größer – verringert sich der Unterschied zwischen den Anteilen von Frauen und Männern. Viertens, vergrößert sich mit der ansteigenden Verbreitung der Konfessionsfreiheit auch die weltanschauliche Homogenität der Ehen von Konfessionsfreien – beide Ehepartner sind konfessionsfrei - von 50 auf 68 Prozent.

In der Zeitreihe 1991 – 2021 sind in den absoluten Zahlen die Veränderungen auf dem ‚Heiratsmarkt‘ ersichtlich. Waren es 1991 bei den konfessionsfreien Ehen 2.700 Frauen, so sind es 2021 mehr als die doppelte Zahl mit 6.862 Frauen.

Überträgt man die Prozentanteile in ‚Teilnehmerinnen und Teilnehmer‘ auf dem Heiratsmarkt, so waren 1998 von den 100 Ehefrauen 75 Christinnen (davon 44 katholisch, 31 evangelisch-reformiert), 8 Konfessionsfreie, 2 Musliminnen und 15 verschiedene andere. 2021 sind von 100 heiratenden Frauen 40 Christinnen (24 katholisch und 16 evangelisch), 19 Konfessionsfreie, 8 Musliminnen und 41 Andere (einschließlich derjenigen, die ihre Weltanschauung/Religion nicht genannt haben).


Carsten Frerk