Gründe für den Kirchenaustritt
Der fowid-Statistikbeobachter: Die Diskussionen im Erzbistum Köln über den Umgang mit dem Kindesmissbrauch durch Kleriker und die Verhaltensweisen des Erzbischofs werden von Meldungen, Umfragen und Statistiken begleitet, die zwischen Realität und Wunschdenken agieren. Eine neueste Umfrage bestätigt, dass derzeit (gleichbleibend) rund 30 Prozent überlegen, aus der Kirche auszutreten.
YouGov hat die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage (22. – 24. März 2021) veröffentlicht (Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche und Gründe für den Kirchenaustritt). 82 Prozent der Deutschen sagen, dass die katholische Kirche an Glaubwürdigkeit verloren habe, aber die Überlegungen zum Kirchenaustritt ebenso so hoch sind, wie bereits in 2020.
Die Umfrage kommt zu einer Zeit, als es hieß, dass in Köln die Austrittszahlen deutlich ansteigen. Wie es die Tagesschau im Februar 2021 meldete: Immer mehr Kirchenaustritte: „Das kommt einer Rebellion gleich“ und die konservativ-katholische „Tagespost“ (Ende Februar 2021) dagegen hielt: „Kirchenaustritte in Köln: Statistik statt Spekulation“:
„Wie eine Umfrage dieser Zeitung belegt, sind die Kirchenaustritte im Bereich des Erzbistums Köln im Januar 2021 im Vergleich zum selben Monat des Vorjahrs aber nicht gestiegen. […] Aus den Angaben geht hervor, dass die Kirchenaustritte im Amtsgerichtsbezirk Köln im Januar 2021 im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind: Während im Januar 2020 1103 Christen sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche den Rücken zukehrten, sind im Januar 2021 756 Personen beider Konfessionen aus der Kirche ausgetreten.“
Dagegen gab das Erzbistum Köln über das domradio bekannt: „500 Termine pro Monat mehr“.
„Die Zahl der Termine wird am März von monatlich rund 1.000 auf etwa 1.500 erhöht, wie die Behörde kürzlich mitteilte. Obwohl das Gericht das Kontingent schon im Januar um rund 400 Termine erweitert hatte, reicht dieses nicht aus.“
Bereits im Juli 2020 hatte INSA Consulere im Auftrag der Tagespost gefragt, was die Kirchenmitglieder über einen Austritt denken: „Ich bin Kirchenmitglied und kann mir vorstellen, bald aus der Kirche auszutreten.“ Ergebnis: 30 Prozent der Katholiken stimmt der Aussage zu, 54 Prozent der Katholiken stimmten dem nicht zu, 9 Prozent hatten keine Meinung dazu und sieben Prozent machten keine Angabe. Von den evangelischen Kirchenmitgliedern sagten 26 Prozent, dass sie sich mit dem Kirchenaustritt beschäftigten.
Im Oktober 2019 hatte INSA Consulere bereits die Meinungen zu der Aussage: „Ich bin Mitglied der evangelisch-landeskirchlichen oder römisch-katholischen Kirche und überlege, auszutreten“ erfragt. Das Ergebnis: „Jedes sechste Mitglied erwägt Kirchenaustritt“, in Zahlen: 16 Prozent der Kirchenmitglieder.
Und im Juli 2019 berichtete die Tagesschau mit Rückblick auf 2018: „Kirchen laufen Mitglieder davon“.
„Zu den Austrittsmotiven gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Studien und Umfragen, in denen als wesentlicher Grund eine Entfremdung von der Kirche festgestellt wurde. Der Kirchenrechtsexperte Thomas Schüller betont: „Kirchenaustritte sind kein Naturphänomen, sondern Ausdruck einer Entfremdung der Gläubigen von der Kirche und einer Glaubwürdigkeitskrise der Kirche selbst.“ Entscheidend sei zudem das Erscheinungsbild der Kirche. Besonders die Sexualmoral werde als nicht mehr zeitgemäß empfunden, aber auch das Frauenbild der Kirche und ihre Haltung zu Homosexualität, wiederverheirateten Geschiedenen und dem Zölibat.“
Ein Vergleich der „Kirchenaustritte 2006 und 2018 nach Alter“ hatte sich – am Beispiel Münchens - bereits gezeigt: Die Austrittszahlen steigen nicht nur bei den Jüngeren, sondern auch bei den älteren Katholiken deutlich, was eher ungewöhnlich ist.
Nach der Statistik des Erzbistums Köln sind die Kirchenaustritte nach einem relativem Rückgang zwischen 2015 bis 2017 (13.934 Austritte) im Jahr 2018 auf 18.472 und 2019 auf 24.298 Kirchenausstritte angestiegen.
(CF)