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Kirchenmitglieder in Großstädten, die Daten.

Auf nationaler Ebene haben sich die Anteile der Kirchenmitglieder zum Jahresende 2021 auf 49,70 Prozent verringert, 2022 auf 47,45 Prozent. Eine Entwicklung, die sich in den Bundesländern jedoch unterschiedlich darstellt. So haben sechs Bundesländer weiterhin eine Mehrheit an Kirchenmitgliedern. Die Trends sind jedoch unmissverständlich. Um das, in einem ersten Schritt, genauer zu betrachten, wurden die Zahlen der Kirchenmitglieder zum 31.12.2022 in 40 deutschen Großstädten erfasst.

Von Carsten Frerk und Eberhard Funk.

Vorbemerkung und Teil 1, Teil 2
1. Datenquellen
2. Anlass und Zweck der Recherche
3. Religionszugehörigkeiten/Kirchenmitglieder
4. Großstädte in den östlichen Bundesländern
5. Zeitreihen
6. Erste Ergebnisse
7. Daten / Tabellen

Vorbemerkung und Teil 1, Teil 2

Die ursprüngliche Absicht, alle 80 Großstädte in Deutschland zu erfassen, d. h. alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, hat sich im Laufe der Recherche auf die 40 Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern reduziert. Bereits diese Arbeit, für die ursprünglich zwei Wochen gedacht waren, hat sich auf einen Zeitraum von zwei Monaten erstreckt. 40 Großstädte sind 40 unterschiedliche Internetportale, mit durchaus eigenwilligen Auffassungen an Gestaltung, Datenaufbereitung und Zugänglichkeit. Das kann man als positiv ansehen – was für eine regionale Vielfalt und was für ein ‚buntes‘ Deutschland – oder auch negativ – als großartiges Beispiel von föderaler Intransparenz, Kommunikationsunfähigkeit und typisch dafür, warum so vieles kommunal und in der Abstimmung zwischen den Ländern nicht funktioniert. Diese Recherche war eine somit eine zeitraubende, überraschungsreiche Odyssee.

Allein die Daten für die 40 Großstädte sind bereits so umfangreich, dass es sinnvoll erschien, es für eine Übersichtlichkeit in einen Teil 1 („Daten“) und einen Teil 2 („Auswertungen“) aufzuteilen. Dieser Artikel ist der erste Teil.

Ergänzung: Der zweite Teil: „Auswertungen“ wurde am 20.09.2023 freigeschaltet.

1. Datenquellen

Datengrundlage sind primär die Angaben auf den Internetportalen der Großstädte, ergänzt durch die Daten der Volkszählungen 1950 – 1987. Für die aktuellen Angaben (2020 – 2022) wurden die Statistikämter, teilweise mehrfach, angeschrieben, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchweg alle kooperativ und sachgerecht reagierten. Dafür bedanken wir uns.

In dieser Hinsicht sind in den Daten alle Aspekte enthalten, die sich in der gesellschaftlichen/statistischen Realität der Großstädte darstellen. Zum Beispiel die Änderung der Begrifflichkeit/Erfassung des „Wohnbevölkerungsbegriff“, ebenso sind darin alle Gebietsveränderungen und damit Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur enthalten. Das wäre alles für die Analyse einzelner Großstädte genauer zu berücksichtigen. Unser Anliegen war es jedoch, generelle Tendenzen aufzuzeigen, für die diese benennbaren Unschärfen eher marginal sind. In der generellen Umrechnung auf Anteile kann zumindest ein Teil dieser Unschärfen relativiert werden.

Die Daten der Volkszählung 1961, mit Vergleichsdaten für 1950, die Volkszählung 1970 mit länderspezifischen Darstellungen für Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen für die Daten der Volkszählungen 1970, 1987 in NRW bilden das historische ‚Grundgerüst‘. Auch die Ergebnisse der Volkszählung 1987 und des Zensus 2011 sind entsprechend dokumentiert. Für alle anderen ‚dazwischen liegenden‘ Daten ist man auf die Veröffentlichungen bzw. Auskünfte der Statistikstellen der Großstädte angewiesen, eine, wie bereits angedeutet, ‚Odyssee‘.

2. Anlass und Zweck der Recherche

Zum Jahresende 2021 lag der Anteil der christlichen Kirchenmitglieder (Landeskirchen und Bistümer) in der Geschichte der statistischen Erfassung dieser Daten mit 49,7 Prozent erstmals unter 50 Prozent der Bevölkerung. Das ist allerdings der ‚nationale Wert‘ für Deutschland, denn in den einzelnen Bundesländern sah die Situation unterschiedlicher aus.

Von den 16 Bundesländern hatten Ende 2022 zehn Länder weniger als 50 Prozent Kirchenmitglieder, sechs hingegen mehr als 50 Prozent Kirchenmitglieder in der Bevölkerung: das Saarland, Rheinland-Pfalz, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachen.

In diesen sechs Bundesländern leben 67 Prozent der Bevölkerung (56,1 von 84,3 Mio.) und 79 Prozent der Kirchenmitglieder (31,7 von 40,1 Mio.). Das ist politisch insofern wesentlich, da ‚Kirchenfragen‘ Angelegenheiten der Länder sind.

Wie würden diese Entwicklungen aussehen, wenn man nach Deutschland (national), Bundesländer (föderal) noch eine weitere Ebene ‚tiefer‘ gehen würde, auf die (kommunale) Organisations- und Gesellschaftsebene der (insgesamt 401)  Landkreise und kreisfreien Städte (107 kreisfreie Städte und 294 Landkreise)? Aus pragmatischen Gründen erfolgte dann die Begrenzung auf die Städte und schließlich auf die 40 Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern.

Der Zweck der Recherche war primär das, wofür das Internetportal fowid.de gegründet wurde: Als Datenarchiv für die Bereitstellung von evidenzbasierten Daten für daran interessierte Wissenschaftler, Journalisten, Politiker, Studenten und ‚Normalbürger‘. Zudem war zu klären, ob sich aus diesen Daten für 40 Großstädte allgemeine Trends ableiten bzw. bestätigen lassen.

3. Religionszugehörigkeiten/Kirchenmitglieder

Die Auswertungen aus den Melderegistern enthalten normalerweise nur die drei Angaben „(EKD) Evangelisch“, „(römisch) Katholisch“ und „Andere“. Auch wenn es in den Volkszählungen teilweise weit gefächerte Aufteilungen gegeben hat, so müssen diese im Endeffekt für die letzten rund zwanzig Jahre immer wieder auf diese drei Kategorien zurückgeführt, d. h. zusammengefasst werden. Insofern ist eine Darstellung der Religionszugehörigkeiten, die zumindest die „Anderen“ in weitere benennbare Religionsgemeinschaften sowie die Konfessionsfreien untergliedert, nicht realisierbar. Übrig bleiben die EKD-Evangelischen und die römisch-katholischen Kirchenmitglieder. Eine Datenbasis, die für die religionspolitische Diskussion in Deutschland jedoch wesentlich ist.

4. Großstädte in den östlichen Bundesländern

Für die weiteren Auswertungen sind die sechs Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern in den östlichen Bundesländern (Chemnitz, Dresden, Erfurt, Halle, Leipzig, Magdeburg) ebenso wie Berlin nicht berücksichtigt worden, da für diese Großstädte keine Zeitreihen von belastbaren kirchlichen Mitgliederzahlen vorliegen. Fowid hat in zwei ausführlichen Artikeln diese besondere Situation erläutert. Zum einen in: „Taufen und Konfirmationen in der DDR“ mit dem Tenor einer langsamen Entkirchlichung:

„Die östlichen Bundesländer gelten heute als eine der konfessionsfreiesten Regionen in Europa. 1946 waren von der Bevölkerung (17,3 Mio. Einwohner) jedoch 14,2 Mio. (= 82,1 Prozent) evangelische und 2,1 Mio. (= 12,2 Prozent) römisch-katholische Kirchenmitglieder. Die Veränderungen über die Jahre sind jedoch kein abrupter Vorgang innerhalb weniger Jahre, sondern eine kontinuierliche Verringerung der Kirchenmitgliedschaft. Eine langsame ‚Entkirchlichung‘ in einer Gesellschaft, in der es nicht als Vorteil oder karrierefördernd galt, wenn man Kirchenmitglied war, wie es in den westlichen Bundesländern der Fall war und ist.“

Zum anderen in: „Kirchenaustritte und Kirchenmitglieder in der DDR“ mit dem Tenor, dass es nicht die Kirchenaustritte waren, sondern der Rückzug aus dem kirchlichen Leben:

Es „handelt es sich bei der Verringerung der Kirchenmitgliederzahlen nicht um eine schlagartige Veränderung in der Art, dass die SED befiehlt: „Kirchenaustritt!“  und fünf Millionen Kirchenmitglieder treten aus der Kirche aus. Es ist ein kontinuierlicher Vorgang, auch wenn dies anfangs [Gipfelpunkt 1958] als ‚Welle‘ auftritt. […] Hinsichtlich des ‚Kirchlichen Lebens‘ sind es – statistisch registriert – drei Ereignisse, die auf die Anzahl der Kirchenmitglieder einwirken: die Kirchenaustritte, die [fehlenden] Kircheneintritte (Taufen) und die Anzahl der Verstorbenen. Für die DDR kommt dazu noch eine weitere Komponente, die Auswanderungen in den Westen.“

Diese Veränderungen, für die es keine belastbaren Gesamt-Statistiken gibt, haben das Ergebnis, dass in diesen Großstädten Ende 2022 jeweils unter 20 Prozent Kirchenmitglieder gezählt werden: Chemnitz (12,4 Prozent), Dresden (16,6), Halle/Saale (11,7), Leipzig (14,2), Magdeburg (11,0). Die Unterschiede in der Entwicklung über die Jahre seit Anfang der 1990er Jahre liegen bei rund zwei Prozentpunkten. Dresden, mit einer Verringerung (1997-2022) von rund fünf Prozentpunkten ist dabei ein ‚Ausreißer‘.

Die dokumentierten Daten zu den einzelnen Städten verweisen auf (graduell) unterschiedliche Entwicklungen, die noch näher zu erläutern sind.

5. Zeitreihen

Obwohl das primäre Interesse auf der Entwicklung des Anteils der Kirchenmitglieder lag, waren wir auch bemüht eine möglichst lange Zeitreihe zu recherchieren bzw. zu dokumentieren.

Manche Städte machen es einem sehr einfach, indem sie auf ihren Internetseiten / Statistischen Jahrbüchern oder Berichten lange Zeitreihen publizieren, wie Mainz (seit 1800), Nürnberg (1812), Düsseldorf und Köln (1816), Hamburg (1867), Frankfurt am Main (1871), Bochum (1880), Dortmund, Karlsruhe und Stuttgart (1900), München (1925). Eine einzige Großstadt (Erfurt) erfasst keine Religionszugehörigkeiten im Melderegister, da man damit zufrieden ist, zu wissen, dass 80 Prozent konfessionsfrei sind. Insofern konnten nur 39 Großstädte dargestellt werden.

Bei den Volkszählungen gibt es für 1950 und 1961 nur Prozentangaben, für 1970 kann man nur auf Publikationen der Bundesländer (NRW, Bayern, Schleswig-Holstein) zurückgreifen, da das Statistische Bundesamt (einmalig) nicht nach kreisfreien Städten ausgewertet hat, so dass viele Zeitreihen erst mit 1970 bzw. der kompletten Volkzählung 1987 beginnen. Dann ist bis zum Zensus 2011 eine lange Strecke und die dazwischen liegenden Jahre sind zum Teil nicht dokumentiert, da die digitalen Melderegister erst ab 2004/2006 oder später eingerichtet wurden.

Um die Zeitspanne 1987-2011 zu ‚unterbrücken‘ haben wir dann beispielsweise versucht, für eine Zeitreihe der Anteile 1950-1961-1970-1987-2011-2022 noch die Daten des Jahres 2000 dazwischen zu setzen: Zwei Städte mussten ‚passen‘.

Deshalb unser Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Statistikstellen, ohne deren Mitarbeit diese Recherche nicht hätte erfolgreich sein können.

6. Erste Ergebnisse

Um nicht nur die Daten – in diesem ersten Teil – zu veröffentlichen, sollen zwei Beispiele für die kommenden Auswertungen verdeutlichen, was in den Daten enthalten ist.

Zum einen die Übersicht über alle berücksichtigten Großstädte:

Zum anderen die grafische Darstellung für die Entwicklung der Anteile der Kirchenmitglieder in den berücksichtigten Großstädten von 1950 bis 2022:

9. Daten / Tabellen

Und hier die Daten (39 Tabellen) in alphabetischer Reihenfolge der Großstädte, die ebenfalls (im Anhang) als auslesbare Excel-Dateien verfügbar sind: