Kirchliches Leben Landeskirche Bremen 1980 - 2017
Die Bremische evangelische Kirche (BEK) umfasst vorrangig das Gebiet der Stadt Bremen und hat 193.000 evangelische Kirchenmitglieder, das sind etwa 31 Prozent der Bevölkerung. Die BEK hat heute die besondere Struktur, dass ihre Gemeinden jeweils ihre eigene Gemeindeverfassung, ihr eigenes Bekenntnis und ihre eigene Ordnung haben; ferner können sie ihre Rechte und Pflichten gegenüber der Gesamtkirche ruhen lassen. Damit kommt jeder evangelischen Gemeinde in Bremen der Status einer Einzelkirche zu, die über den Dachverband BEK in der EKD vertreten sind.
Geschichte
1522 wurde in Bremen die erste reformatorische Predigt gehalten, welche den Grundstein des Protestantismus legte. Nachdem 1534 eine Kirchenordnung eingeführt wurde, gab es verschiedene Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Anhängern Melanchthons, was zur Schließung des Domes führte. Erst 1638 wurde der Dom, der politisch nicht zur Stadt Bremen gehörte, sondern zum Erzstift, durch Friedrich von Dänemark, Administrator des Erzstifts, wieder für die lutherische Lehre geöffnet. 1581 schloss sich Bremen der Genfer Reformation an und erhielt 1595 nach der deutsch-reformierten Form eine neue Kirchenordnung.
Um 1600 wurde der Heidelberger Katechismus eingeführt. Durch Zuzug wuchs die lutherische Domgemeinde. Ab 1651 unterstand der Dom der schwedischen, ab 1715 kurhannoverschen Generaldiözese Bremen-Verden. 1803 kam auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses der Dom zur Stadt Bremen, die vergeblich versuchte, die Domgemeinde zu zerschlagen. 1830 erhielt die Gemeinde eine neue Verfassung, die von der Stadt Bremen anerkannt wurde.
Im Bremer Kirchenstreit von 1840 und 1844/45 zwischen theologischen rationalistischen Pastoren und den überwiegend konservativen reformierten Pastoren in Bremen gab es noch eine deutliche Mehrheit der orthodoxen Geistlichen. Durch den Bremer Senat wurde die Kirchenfreiheit in Bremen deutlich bestätigt. Nach 1845 verlor sich das reformierte Bekenntnis mehr und mehr, als die Gemeinden teilweise auch lutherische Pastoren beriefen. Neue Gemeinden entstanden und wurden nicht mehr zwischen „lutherisch“ und „reformiert“ unterschieden.
Erst mit der Einführung eines einheitlichen Gesangbuchs in Bremen im Jahre 1873 gab es auch eine Verwaltungsunion zwischen lutherischen und reformierten Gemeinden, die den konfessionellen Streit der Gemeinden beilegen konnte.
Seit einer Verordnung von 1860 ist es den Bewohnern in den evangelischen Gemeinden Bremens freigestellt, einer Kirchengemeinde ihrer Wahl, unabhängig vom jeweiligen Wohnsitz beizutreten. Ein Übertritt zu einer Gemeinde eigener Wahl kann heute mit geringem Aufwand durch Ausfüllen eines leicht erhältlichen Übertrittsformulars vollzogen werden.
Eine weitere Besonderheit ist die Laienpräsidentschaft: Der Präsident des Kirchenparlaments ist kein Theologe, damit besitzt die Bremische Kirche kein theologisches Oberhaupt. Nur der Schriftführer ist ein theologischer Repräsentant.
Neben der Stadt Bremen gehört die „Vereinigte Protestantische Gemeinde zur Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche“ in Bremerhaven zur Bremischen Evangelischen Kirche. Mit den übrigen Kirchengemeinden der Stadt Bremerhaven kam es zu keiner kirchlichen Vereinigung. Einige Kirchengemeindegrenzen gehen aus historischen Gründen über die Landesgrenze hinaus, dort werden Filialkirchen unterhalten.
Die Kirche unterstand bis 1920 dem bremischen Senat und wurde von diesem nach außen vertreten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte die CDU einen konfessionell gebundenen Religionsunterricht unter Beteiligung der Kirchen einführen. Die parlamentarische Mehrheit (SPD und Bremer Demokratische Volkspartei) setzte durch, dass die staatlichen Schulen ohne kirchliche Beteiligung das Fach „Biblische Geschichte“ anbieten. So wurde das 1947 in Art. 32 Abs. 1 („Die allgemeinbildenden öffentlichen Schulen sind Gemeinschaftsschulen mit bekenntnismäßig nicht gebundenem Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage.“) der Bremischen Landesverfassung festgelegt. Deshalb musste bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes 1948/49 eine Ausnahme für Bremen (Bremer Klausel in Art. 141 GG) beschlossen werden (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.“).
Ein Vorstoß der BEK in den 1960er Jahren, dass die evangelische Kirche beim Religionsunterricht zu beteiligen sei, war erfolglos. Der Bremer Staatsgerichtshof entschied 1965, dass der Biblische Geschichtsunterricht „bekenntnismäßig nicht gebunden“ sei und daher alle Konfessionsunterschiede erfasse. Die „allgemein christliche Grundlage“ sei nicht gleichbedeutend mit der „Grundlage des protestantischen Christentums“. (Siehe auch Bremer Schulstreit)
Kirchliches Leben
Für die Landeskirche Bremen - die als einzige von einer Großstadt dominiert wird - zeigen sich die gleichen Reduktionen wie für das kirchliche Leben in anderen deutschen Großstädten.
Die vier dargestellten Äußerungen des kirchlichen Lebens (Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Bestattungen) liegen für die Bremische Evangelische Kirche in den zukunftsweisenden Aspekten alle drei deutlich unter dem EKD-Durchschnitt.
Insbesondere bei den Taufen - und daraus resultierend den zeitversetzten Konfirmationen - ist die unterdurchschnittliche Anzahl pro 1.000 Kirchenmitglieder bemerkenswert.
Die Anzahl der Taufen (und damit der zukünftigen Kirchensteuerzahler) reduziert sich ab 1967 von 8.300 auf 2.300 im Jahr 1980 und auf rund 1.000 in 2017.
Der Anstieg Ende der 1980er Jahre ist die (abgeflachte) Wiederholung des Anstiegs in den 1960er Jahren. Die Kinder von damals werden Brautleute und bekommen eigene Kinder. Dafür spricht auch der Anstieg der evangelischen Trauungen in dieser Zeit.
Die Anzahl der Trauungen reduziert sich mit einem „Zwischenhoch” Ende der 1980er/Anfang der 90er Jahre von 836 (1980) auf 290 (in 2017). Der positive Zwischentrend Anfang der 1990er Jahre wird noch verstärkt durch das Hinzukommen der evangelischen Christen aus der DDR nach der Wiedervereinigung.
Die Bestattungen sind in dem betrachteten Zeitraum bis 1980 auf einem relativ gleichbleibenden Niveau von 5.000 pro Jahr, reduziert sich jedoch ab Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich. Der vermeintliche sprunghafte Anstieg zwischen 1990 und 1991 beruht lediglich auf einer anderen Zählweise in den östlichen Gliedkirchen. Zu dieser Zeit wurden lediglich die evangelisch Verstorbenen erfasst, nicht, ob diese dann auch ein kirchliches Begräbnis bekamen. Erst ab 1997 wurde eine einheitliche Erfassung durchgesetzt. Im Jahr 2017 wurden 2200 Menschen evangelisch bestattet. Das bedeutet entweder eine sich verjüngende Gemeindestruktur oder dass sich in Bremen weniger Gemeindemitglieder evangelisch bestatten lassen. Da auch insgesamt im Land Bremen weniger Sterbefälle zu verzeichnen waren, treffen hier vermutlich verschiedene Effekte zusammen.
Im Zeitraum ab 2000 hat sich die Zahl der Kirchenmitglieder um 25 Prozent verringert. Die Zahl der Gotteldiensbesucher ist auf etwa zwei Drittel in diesem Zeitraum geschrumpft. Inzwischen geht nur noch jeder 35. zum Gottesdienst.
Obwohl in der Landeskirche Bremen die Austrittszahlen zeitlich begrenzt immer wieder großen Schwankungen unterworfen sind, ist auch hier in den letzten Jahren seit 2013 ein deutlicher Anstieg zu beobachten. Im Jahr 2014 waren es fast doppelt so viele wie 2012. Für den sprunghaften Anstieg der Austrittszahlen im Jahr 2014 ist vermutlich die Änderung im Steuergesetz bezüglich der Einbehaltung der Kirchensteuern durch die Banken verantwortlich. Die bisher Unentschlossenen oder aus Gewohnheit in der Kirche gebliebenen könnten dies als Anlass benutzt haben, endgültig der Kirche den Rücken zu kehren. Zudem dürfte auch die vermeintliche Verquickung zwischen Banken und Kirche einige unangenehm berührt und zum Austritt bewegt haben. Insgesamt sind seit der Jahrtausendwende mehr als 42.000 Mitglieder ausgetreten.
SFE - aktualisiert 2019