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Österreich: Mehrheit glaubt stärker an ein Karma als an Gott

Eine aktuelle repräsentative Umfrage hat ergeben, dass Kernbestandteile des katholischen Glaubensbekenntnisses nur geringe Zustimmung unter der Bevölkerung finden und sogar nur von einer Minderheit der Kirchenmitglieder geteilt werden. So glaubt nur jeder fünfte Österreicher an die katholische Vorstellung der „Auferstehung Christi“. Mehr als doppelt so viele Österreicher glauben stärker an die Wirkungen eines guten Karmas und der Telepathie als an die Wirkungen eines übernatürlichen Wesens („Gott“).

In einer Umfrage des Linzer Market-Instituts im Auftrag der Tageszeitung Der Standard wurde repräsentativ für die österreichische Bevölkerung vom 27. bis 29. März 2018 über 800 Personen befragt (n=811).

Derzeit sind, nach Angaben der Bischofskonferenz,  58 Prozent der Österreicher Mitglieder der katholischen Kirche, was sich in der Umfrage korrekt darstellt.

Bereits 2015 hatte die Tageszeitung Der Standard insgesamt 23 Fragen zu „Gott und die Welt“ gestellt, deren Antworten u. a. zeigten, dass die katholische Kirche für zwei Drittel (68 Prozent) der Österreicher ihre Glaubwürdigkeit verloren hat. Anlässlich der Erstveröffentlichung der aktuellen Ergebnisse hieß es: „In Österreich glauben mehr Menschen an Esoterik als an Gott“. Im Anschluss erhielt fowid für die Zweitauswertung Zugang zu den Daten der Umfrage. Daraus lassen sich folgende Kernaspekte ableiten:

Katholische Kirchenmitglieder

Von den Katholiken betrachten sich nur ein Viertel als „in der Kirche engagiert“ und drei Viertel als „Taufscheinkatholiken“.

Diese Anteile sind Frauen und Männern gemeinsam. In den Altersgruppen zeigt sich, dass die Jüngeren der katholischen Kirche entfernter sind als die Älteren. Der Stadt-Land-Unterschied wird in der größeren Kirchenverbundenheit der Menschen in Westösterreich und den distanzierteren Werten in Wien deutlich, wo nur noch ein Drittel angeben, katholisch zu sein.


Religiosität und Glaubensbekenntnis

74 Prozent der der 16 bis 29-Jährigen und 66 Prozent der 30 bis 49-Jährigen sehen sich als „eher nicht“ oder „gar nicht“ religiös. Eine Einschätzung, die sich sogar noch mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen zuschreibt. Dabei sehen sich sowohl Frauen wie auch Personen mit höherer Bildung als weniger religiös im Vergleich zu Männern und Personen mit einfacher Bildung. Unter den Berufsgruppen schätzen sich Selbstständige, Arbeiter und Angestellte, im Vergleich zu Beamten, als weniger religiös ein.

Nur 8 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich  „auf jeden Fall“ als religiös und 30 Prozent meinen „eher schon“. Dies verweist auf den ein um mindestens 20 Prozentpunkte niedrigeren Grad an Religiosität im Vergleich zur  Kirchenmitgliedschaft.

Die Verteilungen innerhalb der weiteren Merkmalsgruppen entsprechen den Tendenzen bei der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche.

Anschließend wurde in der Umfrage Schritt für Schritt die einzelnen Elemente des Glaubensbekenntnisses genannt und gefragt, ob man daran glaube. (In der nachfolgenden Tabelle nach Häufigkeit sortiert.) Keines dieser Glaubenselemente erreicht einen 50-Prozentanteil des Glaubens daran.

Die höchste Zustimmung im Glauben findet die Akzeptanz „Dass Jesus Christus gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde “ (49 Prozent ), „Dass es einen allmächtigen Gott gibt“ (39), „Dass Jesus Christus unter Pontius Pilatus gelitten hat“ (37) und „Dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist“ (31) sowie „Dass einem die Sünden vergeben werden können“ (31) und „Dass es ein ewiges Leben gibt“ (31 Prozent).

Den geringsten Glaubenszuspruch finden die Himmelfahrt (18 Prozent), das Sitzen von Jesus zur Rechten Gottes (16) und die Elemente, dass Jesus durch den Heiligen Geist empfangen wurde (14) sowie, dass er vom Himmel kommen wird, um die Lebenden und Toten zu richten (13). An die Heiligkeit der katholischen Kirche glauben acht Prozent der Befragten.

In den Altersgruppen zeigt der Glaube an die Elemente des Glaubensbekenntnisses die zu erwartende geringere Glaubensbereitschaft bei den Jüngeren und die höhere bei den Älteren.

Die größten Unterschiede zwischen den Älteren und den Jüngeren besteht hinsichtlich des Glaubens, „dass Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde ist“ (43 vs. 14 Prozent), „dass Jesus Christus unter Pontius Pilatus gelitten hat“ (47 vs. 20 Prozent) und „dass es einen allmächtigen Gott gibt“ (50 vs. 23 Prozent).


Persönlicher Glaube

„Dass gute Handlungen ein positives Karma erzeugen“ glauben etwa rund Dreiviertel (72 Prozent) der Bevölkerung. Annähernd zwei Drittel glauben, „dass auch Tiere eine Seele haben“ (64 Prozent), „dass es Kraftplätze gibt, deren Besuch einen geistig stärkt“ (60 Prozent) sowie, „dass es Gedankenübertragungen zwischen Menschen gibt“ (60 Prozent).

Im Mittelfeld der Themen, die von rund einem Drittel der Bevölkerung geglaubt, wenn auch insgesamt mehrheitlich als unrealistisch abgelehnt werden, zählt der Glaube, „dass man mit Steinen eine belebende Wirkung des Wassers erzielen kann (36 Prozent), der Glaube an die Homöopathie (30 Prozent) und das energetische Reinigen von Häusern (29 Prozent).

Den geringsten Glauben finden u. a. die Auffassungen, „dass Gottes Wohlwollen über einer kirchlich geschlossenen Ehe liegt“, „dass es Menschen gibt, die zaubern können“ sowie der Glaube, „dass der Papst Stellvertreter Gottes auf Erden ist“ (jeweils 15 Prozent). Noch geringer ist der Glaube, „dass Priester und Bischöfe eine besondere Beziehung zu Gott herstellen können“ (12 Prozent) sowie „dass Reliquien von Heiligen wundertätige Wirkung haben“ (8 Prozent).

Mit diesen Sichtweisen haben zentrale Glaubensaussagen der katholischen Kirche auch bei den Kirchenmitgliedern nur eine geringe Resonanz.

Eine Aufschlüsselung der „Karma-Gläubigen“ veranschaulicht, dass Frauen mehr als Männer geneigt sind, an die „guten Handlungen für ein positives Karma“ zu glauben, die Älteren eher als die Jüngeren, und die ländlichen Westösterreicher mehr als die städtischen Wiener

65 Prozent der religiösen Österreicher sind laut Umfrage „Himmel-Hoffer“. In Bezug auf die  „Hölle-Erwarter“ kam nur eine kleine Befragungsbasis zustande, und zeigt das Ergebnis, dass die „Hölle“ von der Hälfte der Religiösen erwartet wird. Die Umfrage deutet ferner auf einen Zusammenhang hin, dass „Himmel-Hoffer“ überproportional glauben, „Dass Homöopathie so wirksam ist wie Schulmedizin“, nämlich 87 Prozent.

Diese Verteilungen, die gleichsam parallel zu den kirchlichen Affinitäten verlaufen, verweisen darauf, dass die Esoteriker eher bei den Kirchenmitgliedern zu finden sind. Ein Ergebnis, dass sich in Deutschland ebenfalls so darstellt.

(LN/CF)

Mit besonderem Dank an den Standard/Conrad Seidl für die Übermittlung der Auswertungstabellen der Umfrage.