Priester, Priesterweihen, Priesterkandidaten 1962-2022
Die katholische Kirche in Deutschland befindet sich in einer grundlegenden Phase der Neuorganisation auf der Ebene der Pfarreien als größere Seelsorgeräume. Ihre Anzahl wird derzeit auf rund 20 Prozent der bisherigen Pfarreien reduziert. Hauptgrund ist der Personalmangel an geweihten Priestern. Alle Daten zu Priesteramtskandidaten und Priesterweihen zeigen, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird, da der Nachwuchs gering ist.
Vorbemerkung
1. Anzahl der katholischen Priester
2. Priesteramtskandidaten
3. Priesterweihen
Exkurs: Internationales / USA
4. Strukturen
4.1. Priester pro Katholiken
4.2. Pfarrseelsorger
4.3. Altersgliederung
4.4. Pfarreien ohne Pfarrer am Ort
5. Priester- und Pastorenmangel
Vorbemerkung
Von der medialen Öffentlichkeit kaum beachtet befinden sich die kleinteiligen, historisch gewachsenen Pfarreistrukturen der katholischen Bistümer in Deutschland in grundlegender Veränderung des Umbaus zu größeren pastoralen Seelsorgeeinheiten. Neben der Verringerung der Kirchenmitglieder durch die Kirchenaustritte und des Rückgangs der Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Kasualien des „Kirchlichen Lebens“ (Taufen, Erstkommunion, Firmungen, Trauungen) und vor allem des Gottesdienstbesuchs auf der ‚Nachfrageseite‘ der Kirchenmitglieder, ist es vor allem auf der ‚Angebotsseite‘ der Kirche die Verringerung der Anzahl der Priester.
1. Anzahl der katholischen Priester
Seit 1998 hat sich die Zahl der Priester (Weltpriester und Ordenspriester zusammen) bis 2021 von 17.773 auf 12.280 reduziert. Das ist eine Verringerung von 30 Prozent.
Stärker als die Anzahl der Priester insgesamt (minus 30 Prozent) verringert sich die Anzahl der Priester im pastoralen Dienst (minus 40 Prozent).
2. Priesterweihen
Der ‚Nachwuchs‘ an Priestern kann nur über Männer erfolgen, die sich zum Priester weihen lassen. 2022 wurden 33 Männer zu katholischen Priestern geweiht. Ein erneutes ‚Allzeittief‘, das sich tendenziell seit 2010 Jahr um Jahr wiederholt.
Auch wenn es sich insgesamt um einen kontinuierlichen Rückgang der Priesterweihen handelt – 1969 wurden 400 unterschritten, 1974 die 200, im Jahr 2008 die 100 Priesterweihen pro Jahr – so gibt es doch einen Zeitraum von 1980 bis 1990, in dem die Anzahl der Priesterweihen steigt.
Die Annahme, dass sich darin die ‚Aufbruchstimmung‘ des Zweiten Vatikanischen Konzils (von Oktober 1962 bis Dezember 1965) ausdrücken könnte, lässt sich nicht ausschließen, da dieser Effekt – wenn es ihn denn gegeben haben sollte – bei den rund 14-18-Jährigen in der lebensorientierenden Berufsperspektive wirksam geworden wäre, d. h. sich in den Jahren 1973-1978 dargestellt hätte. Das ist in den Daten aber so nicht ersichtlich.
Es spricht eher dafür, dass der Anstieg der Ausdruck des ansteigenden Geburtenzyklus der „Baby Boomer“ (1955-1964) ist, der sich in einer Parallelität des Anstiegs der Priesterweihen – rund 26 Jahre später – (1981-1990) darstellt. Insofern hätte dieser Anstieg nichts mit innerkirchlichen oder gesellschaftlichen Stimmungen oder Perspektiven zu tun, sondern wäre schlicht eine Begleiterscheinung des Geburtenzyklus 1955-1964: werden mehr Kinder geboren, gibt es auch mehr Priesterweihen und Priesteramtskandidaten.
3. Priesteramtskandidaten
Die Priesterweihen finden rund acht Jahre nach dem Beginn der Priesterausbildung statt. Nach den vorliegenden Zahlen ist der Gipfelpunkt der neuaufgenommen Priesteramtskandidaten in den Jahren 1983/1984, also passend – rund zwanzig Jahre später - zum Gipfelpunkt des Geburtenzyklus 1963/64.
Auch wenn die zeitversetzten Zahlen der Kandidaten und, acht Jahre später, der Geweihten eine gewisse Parallelität zueinander haben, so sind sie nicht 1:1 parallel.
Im Saldo der Verringerung der Anzahl der Priester und dem Nachwuchs der neu Geweihten ist das Ergebnis (bis auf die zwei Jahre 2005 und 2008) negativ. In den Jahren nach 2005 (als Studienbeginn) wird die ‚Abschlussquote` des Saldos der Priesterweihen unterdurchschnittlich. Es sind die Studienjahrgänge, die mit den (seit 2010) beginnenden Diskussionen um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche begleitet werden.
Mit anderen Worten, die Verringerung der Anzahl der Priester wird immer weniger durch neu zu Priestern Geweihte ausgeglichen.
Exkurs: Internationales / USA
In den Übersichten der Agenzia Fides des Vatikans zur Anzahl des weltweiten kirchlichen Personals, gibt es für die Gesamtzahl der Priester von 1970 bis 2020 keine großen Veränderungen, der Durchschnittwert liegt bei 411.000 Männern. In einer weiteren Unterteilung steigt die Anzahl der Diözesanpriester (Ø 268.00) leicht an, während sich die Zahl der Ordenspriester (Ø 143.000) leicht verringert. Diese Verringerungen zeigen sich auch bei den Nonnen (Ø 832.000) wie bei den Ordensbrüdern (Ø 63.000). Die Diözesanpriesterweihen (Ø 5.600) oszillieren.
Im Unterschied dazu zeigt sich in den CARA-Statistiken (Center für Applied Research in The Apostolate, Georgetown University), dass in den USA – bei ebenfalls sinkenden Katholikenzahlen - die gleichen Tendenzen bestehen wie in Deutschland: Die Anzahl aller Priester (und dabei vor allem der Ordenspriester) verringert sich von 59.000 (1965) kontinuierlich bis auf 34.000 (2022).
4. Strukturen
Nach den allgemeinen Darstellungen für die gesamte römisch-katholische Kirche in Deutschland werden unter den folgenden vier Punkten genauer einzelne Aspekte behandelt, von denen die Thematik des Priestermangels in Deutschland begleitet wird.
4.1. Priester pro Katholiken
Mit dem Rückgang der Anzahl der Priester verschiebt sich ihre Anzahl in den Diözesen und auch die Betreuungsrelation, für wie viele der katholischen Kirchenmitglieder ein Weltpriester im Durchschnitt zuständig ist.
Der Rückgang der Weltpriester zwischen 2010 und 2021 um 22,2 Prozent (von 12.188 auf 9.485) betrifft alle Bistümer gleichmäßig, d. h. in allen Bistümern verringert sich die Anzahl der Weltpriester.
Waren es 2010 noch 2.023 Kirchenmitglieder pro Weltpriester, so ist die Zahl der zu Betreuenden 2021 auf 2.282 gestiegen.
Dieser Anstieg der zu Betreuenden pro Weltpriester wird dadurch abgemildert, dass sich in den betreffenden zehn Jahren (2010-2021) die Zahl der katholischen Kirchenmitglieder um drei Millionen (3.005.126) verringert hat. Wäre die Zahl der Kirchenmitglieder gleichgeblieben, hätte sich die Betreuungsrelation auf 5.100 Kirchenmitglieder pro Weltpriester erhöht.
4.2. Pfarrseelsorger
Betrachtet man die Pfarrgemeinde als den Kern der religiösen Organisation wo das „Kirchliche Leben“ stattfindet, d. h. gelebt wird, so ist die Frage, wie viele der Priester in der Pfarrseelsorge tätig sind. Das ist zwar bereits in der Tabelle 1 als Summe benannt worden, soll nun aber noch einmal genauer dargestellt werden.
Von 15.162 Priestern (im Jahr 2015) arbeiten 8.909 (das sind 44 Prozent) in der Pfarrseelsorge und 5.809 (= 38 Prozent) sind freigestellt oder (vor allem) im Ruhestand.
Durch diese Zählweise, dass auch alle Emeriti, im Ruhestand befindlichen, in den Priesterzahlen mitgezählt werden, wird das Problem des Priestermangels in der Gemeindearbeit partiell verdeckt. Grundlage dafür ist, dass das Rechtsverhältnis (Inkardination) des Priesters mit dem Bistum auch nach seiner Pensionierung fortbesteht. Das wäre vergleichbar, wenn z. B. der VW-Konzern alle ehemaligen Mitarbeiter, die in Rente gegangen sind, weiter als Mitarbeiter zählen würde, was er nicht tut und braucht, da diese zu einem anderen Rechtsträger (der Rentenversicherung) gewechselt sind.
Tatsächlich sind nur weniger als die Hälfte (44 Prozent) der Weltpriester in der Gemeindearbeit tätig. Insofern müssten die Betreuungsrelationen, die von allen Priestern aus berechnet wurden, verdoppelt werden, d. h. statt der genannten 2.282 Katholiken wäre ein in der Gemeindearbeit tätiger Weltpriester/Seelsorger dort für (im Durchschnitt) 5.100 Katholiken zuständig.
4.3. Altersgliederung
Ein weiterer Aspekt ist der Altersaufbau der katholischen Gemeindepfarrer. Die Bistümer setzen sich mit diesen Entwicklungen detailliert auseinander. So hat das Erzbistum Köln für den Diözesanpastoralrat im Juni 2018 eine Bestandsaufnahme vorgelegt, dessen Top 1 lautet: „Kirchliche Realitäten, gestern, heute und Zukunftsprojektionen.“ Darin sind zwei Grafiken enthalten, in denen die Altersgliederung der pastoralen Dienste im Jahr 2017 und in einer Projektion für 2030 dargestellt wird.
2017 liegt der Schwerpunkt der Altersverteilung der Priester bei den 51-60-Jährigen. Nur 31 (von 405 = acht Prozent) sind älter als 65 Jahre.
Im Jahr 2030 hat sich der Schwerpunkt der Altersgliederung auf die 61-75-Jährigen verschoben und 168 (von 358 = 47 Prozent) sind älter als 65 Jahre. Im Jahr 2035 werden es voraussichtlich 180 (von 276 = 65 Prozent) sein, die pensioniert sind.
4.4. Pfarreien ohne Pfarrer am Ort
Beispielhaft sei an drei Beispielen erläutert, welche Organisationsreformen u. a. durch den Priestermangel notwendig wurden.
Aus einer Übersicht zum „Kirchlichen Leben im Bistum Speyer 1980-2021“ gab es 1980 bei 350 Pfarreien im Bistum 91 Pfarreien ohne einen Pfarrer am Ort. Die Anzahl der Pfarreien ohne einen Pfarrer am Ort stieg kontinuierlich an und erreichte 2015 die Anzahl von 268 Pfarreien (von 346 Pfarreien insgesamt, entspricht 77 Prozent) die ohne einen eigenen Pfarrer waren. 2015 wurden dann durch eine Organisationsreform aus den bislang 346 Pfarreien 70 neue Pfarreien als „Seelsorgestellen“ gebildet.
Im Erzbistum Köln laufen unter dem Hashtag #ZusammenFinden die Organisationsplanungen, um aus den bisher offiziell benannten 514 Pfarreien (2021), aber 178 tatsächlich bestehenden Seelsorgebereichen, zukünftige 67 „Pastorale Einheiten“ zu formen. Neben dem Mitgliederrückgang und dem sinkenden Gottesdienstbesuch wird auch die „Personelle Entwicklung im Bereich der Pastoralen Dienste“ erläutert:
„Personalmangel bei Pastoralen Diensten weitet sich aus.
- Die Zahl der Pastoralen Dienste (Priester, Diakone und Pastoral- und Gemeindereferent/-innen) wird sich bis 2030 fast halbieren (von ca. 1000 auf ca. 600).Die Mehrzahl der dann noch tätigen Pastoralen Dienste wird über 50 Jahre alt sein.
- Prognosen sehen den Zuwachs an Pastoralen Diensten bei rund 8 Personen pro Jahr. Dies wird nicht ausreichend sein, um den Rückgang auszugleichen.Vakanzen zu besetzen wird noch schwieriger.
- Statt wie heute rund fünf Pastorale Dienste pro Seelsorgebereich würden bei gleichbleibender Anzahl und Größe der Seelsorgebereiche 2030 nur noch rund zweieinhalb Stellen für jede Einheit zur Verfügung stehen. Die Arbeitsfähigkeit der Pastoralteams wäre vielerorts gefährdet.
- Es ist davon auszugehen, dass angesichts der Komplexität der neuen Anforderungsprofile 2030 unter den Priestern nur noch ca. 50-60 zur Verfügung stehen, um als Pfarrer eine pastorale Einheit zu leiten.“
Im Erzbistum Freiburg, für die (2021) von der Deutschen Bischofskonferenz in den „Eckdaten des kirchlichen Lebens in den Bistümern“ 1.048 Pfarreien genannt werden, sind es laut dem Erzbistum selber nur noch 224 „Seelsorgeeinheiten“.
„Jede der 224 Seelsorgeeinheiten ist als katholische Kirchengemeinde eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine Seelsorgeeinheit wird aus mehreren Pfarreien gebildet. Diese sind kirchenrechtlich die kleinste Einheit als ‚eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird‘ (can 515 § 1 CIC).“
Nach den bisherigen organisatorischen Umsetzungen (in 5 Bistümern) und den laufenden, wie avisierten Planungen wird sich die Zahl der 13.183 Pfarreien bis ca. 2030 auf voraussichtlich 2.618 „Pfarreiengemeinschaften“ o. ä. reduzieren, d. h. auf rund 20 Prozent der ursprünglichen Zahl im Jahr 2001.
(Daten aus dem Wikipedia-Artikel „Pfarrverband“ sowie weiterer Recherchen auf den Internetseiten der Bistümer oder entsprechenden Telefonaten.)
5. Priester- und Pastorenmangel
Die Thematik des Priester- und damit des Pfarrermangels in Deutschland ist zudem nicht auf die katholische Kirche beschränkt, sondern betrifft auch die evangelischen Landeskirchen.
Diese Thematik wurde bereits in dem fowid-Artikel „Pastorenmangel ab 2030“ detailliert bearbeitet und wird hier nur abschließend noch einmal kurz referiert.
„Aus der katholischen Kirche in Deutschland ist der Priestermangel hinreichend bekannt, aber das gleiche gilt ebenfalls für die evangelischen Landeskirchen, die absehbar und spätestens ab 2030 einen erheblichen Pastorenmangel haben werden, mit allen Konsequenzen für die Gemeindearbeit. Es werden voraussichtlich rund 7.000 evangelische ordinierte Theologen fehlen, d. h. mehr als ein Drittel der jetzigen Pastorenstellen.“
Die Zählkriterien für die Anzahl der katholischen Weltpriester und der evangelischen Theologen sind im Laufe der Jahrzehnte zwar teilweise verändert worden, lassen aber trotz dieser „Ungenauigkeiten“ die Feststellung zu, dass sich die Relationen gegenläufig verändert haben. (Von 1980 bis 1991 liegen die Zahlen über die katholischen Priester nicht vor.)
Aus den Angaben lassen sich, wie bereits geschildert, keine weiteren Rückschlüsse ziehen, z. B. auf Pfarrstellen. In den Zahlen der Weltpriester wird nicht zwischen Pfarrern und pensionierten Priestern unterschieden, beide Gruppen sind mit enthalten, und bei den evangelischen Theologinnen und Theologen arbeiten (2017, nach Angaben der EKD) von den rund 20.000 Theologinnen und Theologinnen 13.000 in einer Kirchengemeinde, rund 2.000 waren „beurlaubt, freigestellt, im Wartestand befindlich oder zum Dienst außerhalb ihrer Landeskirche abgeordnet“, rund 5.000 führten „ein Funktionspfarramt aus im Schuldienst, in der Krankenhaus- oder Anstaltsseelsorge, in den verschiedenen Ämtern der Gliedkirchen oder an anderen Stellen außerhalb der Gemeinden.“ Die Zahlen sollen dennoch – auf dieser Ebene – genannt sein, da sie generelle Tendenzen zeigen.
1953 gab es in Deutschland rund 19.000 Weltpriester und 10.000 Pastoren/Theologen. In einer kontinuierlichen Entwicklung - deren „Zacken“ (bis auf den Anstieg 1991 durch die Wiedervereinigung) aus der Veränderung der Zählkriterien resultieren - steigt die Zahl der evangelischen Theologen und sinkt die Anzahl der katholischen Weltpriester.
Der anfängliche leichte Anstieg der Zahl der Weltpriester verringert sich seit 1969 kontinuierlich bis auf 10.313 (2021). Die Anzahl der Theologen dagegen erreicht mit 25.000 im Jahr 1998 seinen Gipfelpunkt und verringerte sich seitdem auf 20.000 Theologen (2017). Damit unterliegen sowohl die Katholische als auch die Evangelische Kirche einem steigenden Priester-/Theologenmangel.
In dem Wikipedia Artikel „Priestermangel“ gibt es eine Übersicht über verschiedene Staaten und die Einsicht, dass es nicht nur ein deutsches oder europäisches Phänomen ist.
(Carsten Frerk)