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Wichtigkeit von Religion und Kirche in Deutschland

In den Umfragen zur Wichtigkeit von Lebensbereichen in Deutschland spielt der Bereich „Religion und Kirche“ eine Sonderrolle, da er mit großem Abstand als „unwichtig“ bezeichnet wird. Seit dem Umfragebeginn (1980) ist die Anzahl derjenigen die „Religion und Kirche“ als unwichtig betrachten stets größer als die Zahl derer, für die dieser Lebensbereich wichtig ist.

In den Allgemeinen Bevölkerungsumfragen der Sozialwissenschaften (ALLBUS) wird seit 1980 in fünf Umfragen (1980, 1982, 1987, 1998 und 2012) nach der Wichtigkeit von Lebensbereichen gefragt. Das Spektrum der Lebensbereiche reicht von der eigenen Familie, Beruf und Arbeit, von Freizeit und Erholung und anderen bis hin zu Religion und Kirche.

Alle Lebensbereiche, die mit den Befragten auch emotional persönlich und direkt zu tun haben, werden (auf einer 7er-Skala von unwichtig bis sehr wichtig) als überwiegend wichtig bewertet. Eine geringere Wichtigkeit haben die Lebensbereiche Verwandtschaft, die Nachbarn, „Politik und öffentliches Leben“ und mit weiten Abstand „Religion und Kirche“, die von mehr als der Hälfte (54,7 Prozent) der Befragten in die drei Kategorien der Unwichtigkeit eingeordnet werden (1 - unwichtig, 2 - ziemlich unwichtig, 3 - eher unwichtig).

Diese Geringschätzung der Wichtigkeit von „Religion und Kirche“ hat sich dabei verstärkt und belief sich (2012) in den drei Zuordnungen von „unwichtig“ insgesamt auf 58 Prozent, während der Anteil der Menschen, die diesen Lebensbereich als „wichtig“ bezeichneten, sich auf 28 Prozent reduzierte. Die mittlere Kategorie der Unentschiedenen blieb über die Jahre in einer ähnlichen Größenordnung, während die Bewertung als „unwichtig“ von (1980 auf 2012) um zehn Prozentpunkte gestiegen ist und umgekehrt die Bewertung als „wichtig“ sich um zehn Prozentpunkte verringert hat.

Hinsichtlich der beiden großen christlichen Konfessionen sowie der Konfessionsfreien zeigen sich unterschiedliche Tendenzen, für die sich entsprechende Hypothesen formulieren lassen.

Die EKD-Evangelischen haben zwar seit 1980 durchgehend einen größeren Anteil unter ihren Mitgliedern, die Religion und Kirche als „unwichtig“ bezeichnen, aber der Unterschied in den Anteilen zu den evangelischen Kirchenmitgliedern die Religion als „wichtig betrachten“, hat sich seit 1980 (52,4 vs. 32,1 Prozent) von 20 Prozentpunkte Differenz auf 10 Prozentpunkte verringert (44,8 vs. 34,4 Prozent). Hypothese: Die evangelischen Kirchenmitglieder, die Religion und Kirche als „unwichtig“ betrachteten, sind aus den Landeskirchen ausgetreten, so dass die verbliebenen Gläubigen entsprechend für ihren Glauben bzw. ihre Kirche einen größeren Anteil stellen.

Bei den römischen Katholiken ist die Situation spiegelbildlich: Der Anteil der Kirchenmitglieder, für die Kirche und Religion „wichtig“ sind, war stets größer als die Zahl der Katholiken, die das als „unwichtig“ betrachteten. Aber, im Vergleich von 1980 zu 2012 hat sich dieser Unterschied (von 36 zu 50 Prozent) gleichsam eingeebnet (39 zu 41 Prozent). Hypothese: Die Katholiken treten nicht so ‚leicht‘ aus ihrer Kirche aus wie die Evangelischen und bleiben auch als ‚Distanzierte‘ weiterhin katholisches Kirchenmitglied.

Bei den Konfessionsfreien ist bemerkenswert, dass seit 1980 gleichbleiben rund neun von zehn Konfessionsfreien Religion und Kirche als „unwichtig“ bewerten – obwohl sich ihr Anteil an den Befragten von 1980 (6,6 Prozent) und 1982 (7,6 Prozent) bis 2012 (auf 34,0 Prozent) erheblich verändert hat. Hypothese: Bereits in den 1980er Jahren waren in der damaligen Bundesrepublik (heute Westdeutschland) die Bewertung von Religion und Kirche durch die Konfessionsfreien als „unwichtig“ maßgeblich.

Altersgruppen

Für die Umfrage 2012 verbergen sich in den Bewertungen insgesamt (57,9 „unwichtig“, 14,6 „unentschieden“ und 27,5 Prozent „wichtig“) die Unterschiede zwischen den Jüngeren und den Älteren.

In der jüngsten Altersgruppe (der 18-29 Jährigen) betrachten zwei Drittel (67,4 Prozent) Religion und Kirche als „unwichtig“, während in der ältesten Gruppe (75 Jahre und älter) dies nur 38 Prozent so sehen. Umgekehrt betrachten rund die Hälfte (49,6 Prozent) der Ältesten Religion und Kirche als „wichtig“, was von den Jüngsten nur ein Fünftel (19,8 Prozent) so bewerten. Die Abstufungen zwischen den Altersgruppen verlaufen dabei kontinuierlich.

Innerhalb der beiden großen Religionsgemeinschaften zeigen sich diese Altersunterschiede parallel dazu. Bei den Evangelischen wird dabei Religion und Kirche als weniger wichtig als von den Katholiken gesehen. In der jüngsten Altersgruppe der EKD-Evangelischen und der römischen Katholiken sind dabei die Anteile der Desinteressierten („unwichtig“) ähnlich groß (63,8 bzw. 59,0 Prozent).

Die Konfessionsfreien sind in allen Altersgruppen der identischen Meinung. Rund 70 Prozent sagen jeweils, dass Religion und Kirche ihnen schlicht „unwichtig“ seien. Andere Bewertungen sind bei den Jüngeren kaum vorhanden.

Die Unterschiede zwischen Kirchenmitgliedern und innerhalb ihrer Altersgruppen zu den Konfessionsfreien zeigen sich bei dem Vergleich nur der beiden Zustimmungskategorien „sehr wichtig + ziemlich wichtig“, die für die Kirchenmitglieder die bereits beschriebenen Altersunterschiede zeigt- für die Katholiken stärker als für die Evangelischen, wobei die Konfessionsfreien so gut wie gar nicht vorkommen. Sie zeigen auch, dass die Kirchen in ihrer Mitgliedschaft ‚überaltert‘ sind.

im Unterschied dazu sind nicht nur die Konfessionsfreien sich einig in der Ablehnung von Religion und Kirche als „unwichtig + ziemlich unwichtig“, aber auch die Kirchenmitglieder sind hinsichtlich dieser Bewertungen ihrer Religion und Kirche als „unwichtig + ziemlich unwichtig“ so stark vertreten, dass (2012) mehr als die Hälfte (52,5 Prozent) aller 18-29-Jährigen Religion und Kirche als „unwichtig + ziemlich stark unwichtig“ bewerten.

Sie zeigen auch, dass die Kirchen ihre jüngeren Mitglieder nur noch wenig erreichen, wenn ein gutes Drittel (34,8 Prozent) der jüngeren Katholiken und knapp die Hälfte (43,6 Prozent) der jüngeren EKD-Evangelischen Religion und Kirche als „unwichtig + ziemlich unwichtig“ bewerten.

Insofern lassen sich keinerlei Indizien dafür finden, dass dieser Trend der Bedeutungsminderung von „Religion und Kirche“ sich ändern oder gar umkehren wird. Er wird sich in Zukunft weiter verstärken.Insofern ergänzen und bestätigen diese ALLBUS-Auswertungen die auf fowid.de bereits referierten Befunde zu der geringen persönlichen Wichtigkeit von Religionen in 11 von 15 erfassten Ländern in Westeuropa, ebenso wie die verschiedenen Befunde zu „Bedeutung von Religion in Deutschland 2017, 2015, 2012, 2011, 2008“ und weiterer Ergebnisse.

(CF)

Nachfolgend die detaillierten Auswertungen für die einzelnen Umfragen.