Kirchgang und Moscheebesuch
Die Kirchganghäufigkeit / der Gottesdienstbesuch ist eines der Kernelemente des „Kirchlichen Lebens“ der christlichen Kirchen. Insofern sind die Daten ein zuverlässiger Indikator für die tatsächliche gelebte Konfession. Zu dieser Frage gibt es auch Umfragen, mit einem breiten Umfeld weiterer Merkmale. Die empirischen Befunde zum Moscheebesuch weisen in die gleiche Tendenz einer benennbar geringen religiösen Teilhabe, obwohl das Freitagsgebet zu den ausdrücklichen Pflichten der Muslime gehört.
Von Carsten Frerk.
Die kircheneigene Statistik der Anzahl der Gottesdienstbesucher beruht auf der Anzahl der Teilnehmerinnen der Gottesdienste am Sonntag Invokavit (im Februar) einschl. Kindergottesdienste (evangelisch) bzw. dem Durchschnitt des zweiten Fastensonntags (im Februar) und dem zweiten Novembersonntag (katholisch) – also ‚normalen‘ Sonntagen. In der EKD sind es (für das Jahr 2018) insgesamt 3,2 Prozent der Kirchenmitglieder (mit einer Spannweite von 2,2 bis 6,0 Prozent in den Landeskirchen), in den katholischen Bistümern sind es (2019) insgesamt 9,1 Prozent Gottesdienstbesucher (mit einer Spannweite von 7,1 bis 17,2 in den Bistümern).
Bezieht man die Anzahl der Teilnehmer an den Gottesdiensten 2018 (638.472 + 2.133.000 = 2.771.742) auf die Bevölkerung in Deutschland (82 Mio.) so sind es rund 3,4 Prozent der Bevölkerung.
Die Anzahl der Gottesdienste und -besucher variiert erheblich.
Am Statistik-Zählsonntag Invokavit – ein normaler Sonntag – ist es die geringste Teilnehmerzahl, an den besonderen Sonntagen (wie Karfreitag) ist es ähnlich, erst zum Erntedankfest steigen die Teilnehmerzahlen um am 24. Dezember („Heiliger Abend“) das Maximum zu erreichen.
In einer Studie der Liturgiekonferenz der EKD : „Kirchgangsstudie 2019“ heißt es (S. 23): „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die enge Verbindung von Gottesdienst einerseits, Religiosität und Glauben andererseits auch in diesem Zusammenhang bestätigt.“ Oder, wie es in einer Mitteilung der EKD dazu heißt: „Menschen bleiben dem Gottesdienst auch deswegen fern, weil sie Religion und Glauben als für ihr eigenes Leben irrelevant erleben.“
Auch für die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) ist die Kirchganghäufigkeit ein zentraler Indikator für die Intensität des kirchlichen Lebens, der kirchlichen Verhältnisse, so dass in allen ALLBUS-Jahren seit 1980 danach gefragt wurde, also in zwanzig Umfragen.
Aber bereits vor 1980 wurden außerkirchlich Zahlen zum Kirchgang erfasst, wie hier als Beispiele eine Umfrage des Instituts für Demoskopie (IfD-Allensbach). Im April 1964 zeigen sich einerseits noch höhere Teilnehmerzahlen und andererseits die ‚typischen‘ Verteilungen: Während mehr als die Hälfte der Katholiken am Sonntag in die Kirche geht, sind es weniger als ein Fünftel der Protestanten. Mehr Frauen gehen in die Kirche als die Männer und je jünger die Befragten, desto weniger gehen sie sonntags in die Kirche. Auf den Dörfern und in den Kleinstädten und unter den CDU/CSU-Anhängern ist der Anteil der Kirchgänger deutlich höher, als in den größeren Städten oder von SPD- bzw. FDP-Anhängern.
In einer ALLBUS-Auswertung (1982 – 2018) zeigt sich der bereits angesprochene stetige Rückgang der Kirchganghäufigkeit. Dieser generelle Trend wird 1991 noch etwas deutlicher, als im ALLBUS gesamtdeutsch gefragt wird. Die Veränderungen beginnen jedoch bereits 1988. Am deutlichsten wird der Rückgang in dem Anteil des Kirchgangs „einmal pro Woche“, dessen Anteil sich von 12 Prozent (1990) auf 4,3 Prozent (2018) verringert.
Ein Vergleich der Anteile in den kirchlichen Zählstatistiken mit den Anteilen der ALLBUS-Umfragedaten verdeutlicht, dass die EKD-Evangelischen seit den 980er Jahren ‚schon immer‘ in nur geringen Anteilen sonntags in die Kirche gingen (unter 5 Prozent), während die generelle Verringerung durch den Rückgang der Anteile bei den römisch-katholischen Kirchenmitgliedern verursacht wird.
Einer der Gründe für diese Verringerung des Kirchgangs von Katholiken könnte in der katholischen Liturgiereform 1965 liegen, in der die Verwendung der Landessprache eingeführt wurde und damit das „Geheimnis“ des Lateinischen verschwand. Seitdem sinken die katholischen Zahlen.
Dieser Trend der Verringerung des regelmäßigen Kirchgangs zeigt ich auch in Frankreich ebenso wie in Italien, zwei traditionell katholisch dominierten Ländern, in denen die Erfassung der „Event-Religiösen“ (Spalte 4 und 5) eine Besonderheit darstellt.
Um diesen Trend zu verdeutlichen, wurde die 6-teilige Vorgabe der Häufigkeitsangabe in zwei Gruppen zusammengefasst. Die erste Gruppe umfasst jeweils alle Personen, die mindestens einmal im Monat, d. h. relativ „regelmäßig“ in die Kirche gehen. Innerhalb der Zusammenfassung in zwei Gruppen, wie sie auch vom PEW Forschungszentrum in der Studie „Christ sein in Westeuropa“ vorgenommen wurde, wird diese erste Gruppe „praktizierende Christen“ genannt. Ihr Anteil verbleibt in der evangelischen Kirche bei um die 13 Prozent, während der Anteil der „praktizierenden Christen“ unter den römischen Katholiken sich von 36 Prozent (1992) auf 23 Prozent (2018) verringert.
Diese Zusammenfassung einer Gruppenbildung kann man aber auch anders ‚schneiden‘ und da kann dann schon einmal die wissenschaftliche Korrektheit mit einer religionspolitischen Orientierung ‚ins Stolpern‘ kommen. So nennt das Institut für Demoskopie, Allensbach – eines der renommiertesten Umfrageinstitute in Deutschland, das gleichzeitig aber auch als ‚kirchenverbunden‘ gilt – für 2012 (in der Umfrage 10097, Tabelle 2) unter der Überschrift „Gottesdienstbesuch in Ost und West“ 36 Prozent der Bevölkerung, die sagen: Ich gehe „… jeden Sonntag / fast jeden Sonntag / ab und zu in die Kirche“, während die Deutsche Bischofskonferenz und die EKD zusammen nur 16 Prozent regelmäßige Gottesdienstbesucher nennen und ALLBUS 17 Prozent. (Vgl. Tabelle 4). Die Nennung von „Ab und zu“ ist, um es mit Theodor Fontane zu sagen, „ein weites Feld“: in diesem Beispiel rund 20 Prozentpunkte oder die Verdoppelung eines Wertes zum „Schönreden“.
Kirchenmitglieder
Die sich in der Kirchganghäufigkeit auch ausdrückende Kirchenbindung ist – wie bereits anfangs darauf hingewiesen – bei den Römisch-Katholischen stärker als bei den EKD-Evangelischen. Die EKD-Evangelischen sind traditionell keine großen Kirchgänger – jeder hat theologisch seine eigene Beziehung zu Gott. Dazu kommt jedoch noch eine Entwicklung in den Altersgruppen.
In der jüngsten Altersgruppe der 18 – 29-Jährigen evangelischen Kirchenmitglieder sind es nur 8 Prozent, die als „praktizierende Christen eingestuft werden. Bei den beiden ältesten Altersgruppen, sind es doppelt (60-75 Jahre: 17 Prozent) bzw. dreimal so viele (75-Jahre und älter: 23 Prozent).
Auch darin bestätigt sich der Befund einer EKD-Studie zu „Lebens- und Glaubenswelten junger Erwachsener in Deutschland“ (2018), dass sich 58 Prozent dieser jungen Erwachsenen unter den EKD-Mitgliedern sich als „nicht religiös“ bezeichnet.
Bei den römischen Katholiken zeigen sich diese Unterschiede parallel dazu – wenn auch auf einem etwas höheren Niveau – dass unter den Jüngeren rund 15 Prozent praktizierende Katholiken sind, während es bei den Älteren rund 30 Prozent sind.
Kirchlich-christliche Sozialisation
Lassen sich besondere Einflussfaktoren für den Rückgang der „praktizierenden Christen“ feststellen? Ja.
Hinsichtlich der Lebenserfahrung, wie häufig man selber als Kind, d. h. als 11- bzw. 12-Jähriger, in die Kirche gegangen ist, also Kirche und ihre Rituale ‚gelernt‘ hat, zeigt sich für beide Kirchen, dass diese Art der ‚kirchlichen Sozialisation‘ sich über die Jahrzehnte immer mehr verringert hat.
Bei den römischen Katholiken sind es in der ältesten Altersgruppe 89 Prozent, die in ihrer Kindheit einmal oder mehrmals in der Woche in die Kirche gegangen sind, mit stetiger Verringerung dieses Prozentsatzes. Von den 18-29-Jährigen sind es noch 22 Prozent, die sich daran erinnern. Bei den EKD-Evangelischen sind es bei den Ältesten rund 40 Prozent, die mehrmals oder einmal in der Woche als Kind in die Kirche gegangen sind, von den 18-29-Jährigen sind es 4 Prozent.
Das IfD-Allensbach hat zweimal danach gefragt, 1965 und 2012 (IfD-Umfrage 10097, Tabelle 3), und die Häufigkeiten des Tischgebetes zeigen ebenfalls die Entfremdung christlicher Rituale im Alltag.
Im Februar 1965 sagen 62 Prozent, dass in ihrer Kindheit ein Tischgebet gesprochen wurde, im September 2012 sind es noch 43 Prozent. Auf die eigene Gebetspraxis angesprochen sagen 1965 noch 29 Prozent der Befragten, dass sie persönlich ein Tischgebet sprechen, 2012 sind es nur noch neun Prozent, 17 Prozent sagen „manchmal“ und 74 Prozent sagen „Nein“. Mit anderen Worten: 2012 sind es nur noch neun Prozent, die ein Tischgebet sprechen, was heißt, dass von den rund 16 Prozent regelmäßiger Kirchgänger nur noch etwa die Hälfte auch ein tägliches Tischgebet sprechen.
Das heißt, das Elternhaus als allgemeine „religiöse Sozialisationsagentur“, besteht mittlerweile nur noch marginal. Das entspricht den Ergebnissen des Würzburger Religionssoziologen Hans-Georg Ebertz in seinen empirischen Untersuchungen zu „Youth in Europe“, dass die familiäre, alltägliche Weitergabe des religiösen Glaubens und seiner Rituale kaum noch stattfindet und auch religiöse Eltern, die regelmäßig in die Kirche gehen, ihre Kinder nicht mehr zum sonntäglichen Kirchgang zwingen.
Will man es mit einem Bild in der Natur vergleichen, so sind die Kirchen wie ein Baum, der zwar noch eine eindrucksvolle Laubkrone trägt, aber von den Wurzeln her innerlich immer mehr vertrocknet.
Das es sich bei dem Kirchgang um die Teilnahme an einem Gottesdienst handelt, verdeutlicht auch der Zusammenhang zwischen Glaubenselementen und der Teilnahme am Gottesdienst.
Hinsichtlich der drei erfragten Glaubenselemente (Art des Gottesglaubens / „Gott befasst sich mit jedem Menschen“ / Leben hat nur Sinn, weil es Gott gibt“) zeigt sich für alle drei Elemente und der Kirchganghäufigkeit ein direkter Zusammenhang (vgl. Spalte 8) von „je mehr Glauben, desto häufiger der Kirchgang/Gottesdienst“. Die Befragten mit einem „festen Gottesglauben“ gehen zu 46 Prozent regelmäßig in den Gottesdienst, diejenigen, die meinen, „Gott befasst sich mit jedem Menschen““, zu 53 Prozent und diejenigen, die daran glauben, das „Leben hat nur Sinn, weil es Gott gibt“ zu 70 Prozent.
Neben diesem individuellen Glauben als Grund in die Kirche zu gehen, gibt es dann noch ein gesellschaftlich-politisches Umfeld, dass sich in der Häufigkeit des Kirchgangs in den einzelnen Bundesländern zeigt. Allerdings sind die Häufigkeiten auch Ausdruck eines jeweils höheren Katholikenanteils, für deren Mitglieder der Aspekt der sinnstiftenden Kultgemeinde noch stärker vorhanden ist.
Die christlichen Kirchen sind eine der drei „abrahamitischen Religionen“ (Judentum, Christentum und Islam, die alle Abraham als ‚Gründungsvater‘ ansehen), die sich auch durch die Gemeinsamkeit auszeichnen, dass es Glaubenskonstruktionen und Regelwerke sind, die in „Heiligen Schriften“ (Thora, Bibel und Koran) gelesen und studiert, d. h. gelernt werden müssen. Wenn dieses Lernen nicht mehr stattfindet, gibt es auch keinen spezifisch religiösen Glauben mehr und eine Tradition verliert ihre Prägekraft.
Wenn für das Christentum in Deutschland ein derartiger Traditionsabbruch festzustellen ist, warum sollte der Islam davon verschont bleiben? Die Muslime leben – im Unterschied zu ihren traditionellen Herkunftsländern mit muslimischen Mehrheiten – in Deutschland in weitgehend säkularisierten Umgebungen. In dieser Diaspora-Situation einer Minderheit kann das entweder ein stärkeres ‚Zusammenrücken‘ bedeuten oder ein ‚Auseinanderdriften‘, aufgrund einer Fülle von intellektuellen Angeboten und Diskussionen, die nicht mehr in eine traditionelle soziale Kontrolle der Glaubensausübung eingebettet sind.
Muslime
Der Islam beruht – für konfessionsgebundene Muslime – auf fünf Säulen. Zum Moscheebesuch scheibt die (sunnitische) Sehitlik-Moschee:
„Die zweite Säule [des Islam] ist das rituelle Gebet, Salah (türk. namaz) genannt. Nach dem Glaubensbekenntnis ist das rituelle Gebet die höchste Pflicht eines Muslims. Es wird vor dem Sonnenaufgang, mittags, nachmittags, abends und in der Nacht und an jedem geeigneten und sauberen Ort verrichtet. Eine besondere Stellung nimmt das Freitagsgebet in der Moschee ein. Das Gebet verbindet die Rezitation ausgesuchter Suren mit Bittgebeten und Lobpreisungen in arabischer Sprache mit rituellen Bewegungsabläufen. Der Betende beabsichtigt, die Gegenwart Gottes in seinem Herzen zu spüren. Dadurch soll der Gläubige von Schlechtem abgehalten werden und sich Gott zuwenden.“
Im Unterschied zum Christentum werden diese Pflichten sehr genau formuliert und von den unterschiedlichen Glaubensströmungen des Islams auch verwendet, um zu klären, ob jemand Muslim ist oder nicht. Wer sie nicht befolgt, wie beispielsweise die Aleviten, dem wird abgesprochen, Muslim zu sein. Nun könnte man das als innerreligiöse Zwistigkeiten übergehen – gibt es eine Religion, in der nicht verschiedenste Richtungen und Interpretationen miteinander streiten? – und einfach so stehen lassen, dass der Mensch, der sagt, er sei Muslim, das auch ist.
Allerdings gibt es seit der Volkszählung 1987 nur noch Schätzungen über die Zahl der Muslime in Deutschland, die mehr oder minder plausibel sind. Dazu schreibt die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus hinsichtlich der Frage „Muslime in der Statistik. Wer ist Muslim und wenn ja wie viele?“ die Notwendigkeit, zu klären, wer überhaupt „Muslim“ ist.
„Die derzeitigen Schätzungen zur Anzahl der Muslime in Deutschland in Frage zu stellen, ohne eine alternative Angabe zu geben, hat kaum Chancen auf Erfolg. Gleichzeitig scheint es notwendig, die Kategorie ‚Muslim‘ in ihrer geradezu inflationären Verwendung zu hinterfragen und sowohl in der Forschung wie auch in Medien, Politik und Verwaltung ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese Kategorie lediglich im Kontext religiöser oder identitärer Bezüge eine bedeutungsvolle Aussagekraft entfalten kann. Um das zu erreichen, ist es wichtig, zwischen Menschen mit ‚muslimischem Hintergrund‘ und praktizierenden bzw. gläubigen Muslimen zu unterscheiden. Aus diesem Grund wäre eine aussagekräftige Schätzung praktizierender oder organisierter Muslime für aktuelle Debatten um den Islam in Deutschland dringend notwendig. Das könnte u. a. für Politik und Verwaltungen hilfreich sein, wenn es um die Planung von Religionsunterricht oder Friedhofsplätzen geht, aber auch für die nüchterne Bewertung des Vertretungsanspruchs islamischer Verbände.“
Übersetzt man die Menschen „mit muslimischem Hintergrund“ (aber ohne Religionspraxis) mit „Kultur-Muslime“, so ist eine Unterscheidung zwischen konfessionsgebundenen bzw. Kultur-Muslimen möglich. Als Mitglieder der Religionsgemeinschaft „Islam“ sind entsprechend auch nur die konfessionsgebundenen Muslime zu verstehen, die (relativ) regelmäßig zur „Niederwerfung“ in die Moschee gehen.
Moscheebesuch
In den letzten vier ALLBUS-Umfragen (2012, 2014, 2016, 2018) wurden auch die Mitglieder nicht-christlicher Religionsgemeinschaften nach ihrer Praxis des Gotteshausbesuchs gefragt. Da die Anzahl der Befragten nur gering ist (129, 118, 115, 116) lassen sich nur Hinweise formulieren. (Von diesen nicht-christlichen Befragten sind rund 90 Prozent Muslime. Insofern stehen die Feststellungen vorrangig für Muslime.)
Allerdings gibt es auch die beiden großen Studien zum „Muslimischen Leben in Deutschland“ (2007, 2020) mit jeweils 960 bzw. 4.427 befragten Muslimen, also einer Anzahl für belastungsfähige Ergebnisse.
Berechnet man den Mittelwert aus den vorhandenen Umfragen, so sind es ein Drittel (33,5 Prozent) der Muslime, die ihren Glauben praktizieren und entsprechend zwei Drittel (66,5 Prozent), die nicht (halbwegs) regelmäßig, d. h. weniger als einmal im Monat in die Moschee gehen, also ihre Religion nicht praktizieren.
Auch die Daten in Untersuchungen, wie die von Katrin Brettfeld und Peter Wetzels: „Muslime in Deutschland. Integration, Integrationsbarrieren, Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt - Ergebnisse von Befragungen im Rahmen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen“ (2007) nennen vergleichbare Anteile. Hinsichtlich der Religionspraxis sagen (Tabelle 7, S. 110) von den Muslimen 32 Prozent, dass sie „nie eine Moschee oder einen Gebetsraum besuchen“ und weitere 27 Prozent nur „ein paarmal im Jahr“. Das sind zusammen 59 Prozent. Bei den muslimischen Studierenden (Tabelle 100, S. 374) gehen 44 Prozent „nie“ und 25 Prozent „ein paarmal im Jahr“ in eine Moschee, also insgesamt 69 Prozent.
Nach dem Religionsmonitor (2013) „Religiosität und Zusammenhalt in Deutschland“ sind es (Seite 17) rund 30 Prozent regelmäßige Moscheebesucher. Das entspricht den anderen referierten Ergebnissen.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt eine fowid-eigene Auswertung der 2015 erhobenen Daten des SOEP (Sozio-Ökonomisches Panel, 32. Befragungswelle). Auf die Frage, wie häufig sie religiöse Veranstaltungen besuchen, sagen die befragten Muslime: „Jede Woche“ (19 Prozent), „Jeden Monat“ (11 Prozent), „Seltener“ (21 Prozent) und „Nie“ (49 Prozent).
Auch unter der Fragestellung, ob sich durch die Muslime unter den 2013 bis 2016 nach Deutschland Geflüchteten daran etwas verändert hat, gibt die Untersuchung „Religion und religiöse Praxis von Geflüchteten“ eine klare Antwort: Nein. Es wurden zwar nur drei Häufigkeits-Kategorien dargestellt: „Mindestens 1x/Woche bis täglich“ (19,7 Prozent), „mindestens 1x/Monat oder seltener“ (26,8 Prozent) sowie „Nie“ (53,5 Prozent), aber sie entsprechen den genannten Verteilungen (Tabelle 9) und sind in der Kategorie „Nie“ sogar deutlich höher.
Das entspricht auch Ergebnissen in der Schweiz, die in: „Religiöse und spirituelle Praktiken und Glaubensformen in der Schweiz. Erste Ergebnisse der Erhebung zur Sprache, Religion und Kultur 2019“ (s. 11) publiziert wurden.
Auch wenn die Häufigkeitsgruppierungen wiederum anders sind, so zeigt sich doch, dass der Anteil der „nicht-praktizierenden Muslime“ in der Schweiz bei rund 72 Prozent liegt: 46 Prozent nahmen „nie in den letzten zwölf Monaten“ an einem Gottesdienst teil und 26 Prozent „zwischen einmal und fünfmal im Jahr“.
Es wird weiterer Klärungen bedürfen, um das Thema der „konfessionsgebundenen Muslime“ zu bearbeiten, z. B. die Unterschiede zwischen individueller und kollektiver Religionspraxis oder die Frage, welche Rolle die Aleviten spielen, die bisher weitgehend pauschal als „Muslime“ eingestuft werden und in Deutschland eine Größenordnung von 700.00 bis 800.000 Personen umfassen.
Eines dürfte jedoch bereits deutlich geworden sein, dass der Anteil der „Kultur-Muslime“, der in den fowid-Darstelllungen bisher mit 20 Prozent angenommen wurde, deutlich erhöht werden muss, sei es auf einen Anteil von 40 oder sogar 50 Prozent.
Fazit
Sowohl die Feststellungen für die beiden großen christlichen Kirchen, aber ebenso auch für die Muslime, verweisen darauf, dass zwischen den Angaben zur Zahl der Mitglieder von Religionsgemeinschaften und den Angaben, wie viele von ihnen ihre Religion tatsächlich praktizieren, eine große Diskrepanz besteht.
Dem Deutungs- und Mitwirkungsanspruch von Religionsgemeinschaften und religiösen Verbänden und Lobby-Organisationen steht somit entgegen, dass die nominelle oder auch geschätzte Zahl ihrer Konfessionsangehörigen keine Basis dafür bildet.