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Christlicher Glaube in Deutschland, 2019

Anlässlich Ostern hat der SPIEGEL mit einer Umfrage klären lassen, wie es in Deutschland mit den Glaubensüberzeugungen bestellt ist. Besonderes Interesse waren Informationen über den Glauben der Kirchenmitglieder an Kerninhalte der christlichen Religion. Die Ergebnisse zeigen, dass das religiöse Weltbild der Kirchenmitglieder mit den Vorstellungen des Klerus nur noch partiell übereinstimmt. Die Vorstellungen einer unsterblichen Seele, des Lebens nach dem Tod, die Existenz von Engeln, Teufel und Hölle sind nicht mehrheitsfähig.*

Die allgemein gestellte Frage „Glauben Sie an einen Gott?“ findet traditionell mehrheitlich die Antwort „Ja“. Allerdings hat sich diese Mehrheit seit 2005 (66 Prozent „Ja“) 2019 auf 55 Prozent verringert.

Dabei hat sich auch die Mehrheit in West-Deutschland, die sich 1989 noch auf 86 Prozent belief, auf 63 Prozent reduziert. Allerdings sind es (2019) auch ein Viertel der Katholiken und ein Drittel der Evangelischen, die die Frage nach „einem Gott“ nicht mit „Ja“ beantworten. Dass auch 20 Prozent der Nicht-Kirchenmitglieder, die als „Konfessionsfreie“ angesehen werden, an einen Gott glauben, wird an dem Unspezifischen der allgemeinen Frage liegen.

Bei den Parteipräferenzen sind es zwei Drittel der CDU/CSU-Anhänger, die sich zu einem Gott bekennen, bei den SPD-Anhängern besteht hingegen keine Mehrheit für einen Gott. (Die anderen Parteipräferenzen sind nur unter dem Vorbehalt der geringen Fallzahl zu sehen.)

Weitet man die Frage nach weiterem ‚Übernatürlichem‘ der christlichen Lehre aus, so ist insgesamt der Glaube an „Wunder“ ausgeprägter als an einen Gott. Zwei Drittel der Deutschen (66 Prozent) ist der Meinung, dass es Wunder gibt, hingegen nur gut die Hälfte (55 Prozent) glaubt an einen Gott.

Während bei den Kirchenmitgliedern der Glaube an Wunder und einen Gott mehrheitlich gleichauf genannt werden, sind es die Konfessionsfreien, die mit einem hohen Anteil an Wunder-Gläubigen (51 Prozent) diese Sichtweise an ‚die Spitze‘ bringen.

Die Vorstellung einer unsterblichen Seele findet insgesamt eine knappe Mehrheit (46 Prozent), auch bei den Kirchenmitgliedern, ebenso wie die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod nur noch bei Katholiken eine knappe Mehrheit (53 Prozent) aufweist. Alle anderen Vorstellungen (Engel, Teufel, Hölle) sind insgesamt gesehen, gesellschaftlich nicht mehr mehrheitsfähig.

Konzentriert man die Klärung der Verbundenheit mit den Lehren der Kirchen auf die Personen, die bekannt haben, an einen Gott zu glauben, so glaubt rund ein Viertel der Katholiken wie Protestanten nicht mehr an den dreifaltigen Gott der Bibel, ebenso wie mehr als ein Drittel der Kirchenmitglieder nicht zustimmt, dass Jesus in einer Person Gott und Mensch gewesen sei.

Auch Kernelemente der christlichen Glaubenslehre finden keine allgemeine Anerkennung. An die Auferstehung Jesu von den Toten glauben 61 Prozent der Katholiken und 58 Prozent der Evangelischen. Und die Vorstellung, dass Gott alles, was es gibt, erschaffen habe, wird noch von 47 Prozent der Katholiken und 49 Prozent der Evangelischen geteilt.

Die Gewissheit eines Lebens nach dem Tod wird mehrheitlich nicht mehr geglaubt, sowohl im Westen (52 Prozent) wie im Osten (71 Prozent). Vor allem die Ältesten der 65-Jahre-und-Älteren hat keinen Glauben daran (66 Prozent), ebenso wie große Teile der Kirchenmitglieder.

Ganz anders sieht es bei dem Glauben an Wunder aus, da insgesamt zwei Drittel der Deutschen bestätigen, dass es Wunder gibt. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind ebenso geringfügig wie die Unterschiede zwischen den Altersgruppen und den Mitgliedern der beiden christlichen Konfessionen. Überdurchschnittlich hohe Zustimmungswerte (mehr als 70 Prozent) äußern die Frauen, die Katholiken und die CDU/CSU-Anhänger.

Eine Betrachtung der Konfessionszugehörigkeiten deutet darauf hin, dass der Anteil der Kirchenmitglieder zu hoch ist, was dafür spricht, dass auch der Anteil der jüngeren Altersgruppe zu niedrig ist. Sollte dies der Fall sein, würde sich der Anteil der 18-39-Jährigen deutlicher distanziert darstellen. Für diese Altersgruppe hat das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD 2018 die Studie „Was mein Leben bestimmt“ zu Lebens- und Glaubenswelten junger Erwachsener in Deutschland publiziert. Ein Fazit des Studienleiters lautet über die 19-27-Jährigen lautet: „Es ist eine – vielleicht die erste – wirklich postchristliche Generation. Gott ist weitgehend verschwunden.“ Insofern würde die Distanz insgesamt sich noch stärker darstellen.

Bemerkenswert bei der SPIEGEL-Umfrage ist, dass der Anteil der Frauen wie der Männer für die Konfessionsfreien sich in der gleichen Größenordnung befindet (33 bzw. 30 Prozent), ebenso wie der Anteil der Konfessionsfreien (32 Prozent) unter den Personen mit einer SPD-Parteipräferenz.

Fazit

Die Umfrage verdeutlicht noch einmal und ausdrücklich, wie sehr traditionelle, christliche Glaubensvorstellungen von den Kirchenmitgliedern nicht mehr geteilt werden. Diese Kluft ist seit längerem bekannt, und verdeutlicht wieder einmal, dass in Deutschland zwischen den formalen Religionsmitgliedschaften und dem persönlichen Glauben erhebliche Diskrepanzen bestehen. Insofern ist diese Studie eine weitere Bestätigung der IfW-Umfrage vom März 2019 „Religion und Entfremdung in Deutschland“ und der SINUS-Studie zu „Katholiken und Kirchenmitgliedschaft 2018“, in der rund 40 Prozent der Katholiken als ihrer Religion und Kirche entfremdet dargestellt werden.

(CF)

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* FoWiD bedankt sich beim SPIEGEL für die freundliche Übersendung der Umfrageergebnisse.