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USA: Projektion 2070 für Christen und „Nones“

Die großen Meinungsforschungsinstitute in den USA haben sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit dem Niedergang des Christentums und dem Anstieg der Konfessionsfreien beschäftigt. In vier Projektionen hat das PEW Research Center nun die Entwicklung der Anteile von Christen und Konfessionsfreien bis 2070 berechnet, also in rund 50 Jahren. Die Spannweiten der Veränderungen sind erheblich. Bei den Christen sind es Unterschiede zwischen 54 bzw. 35 Prozent Anteil, bei den Konfessionsfreien Unterschiede zwischen 34 bis 52 Prozent.

2002 gaben 10 Prozent der US-Bürger an, keine religiöse Präferenz zu haben und das Gallup-Institut fragte sich: „Who Are the Secularists?“, wie sie diese Bevölkerungsgruppe damals nannte. Es bestätigte sich, dass sie eher jung und liberal sind und in den westlichen Bundesstaaten leben.

„Frühere Gallup-Analysen haben gezeigt, dass politische Ideologie und Religion zusammenhängen, wobei religiösere Amerikaner eher konservativ eingestellt sind und weniger religiöse Amerikaner eher zu einem liberalen Standpunkt tendieren. Diese Beziehung ist bei denjenigen, die keine religiöse Präferenz angeben, besonders deutlich - Säkularisten bezeichnen sich deutlich häufiger als ‚gemäßigt‘ oder ‚liberal‘ als sie sich als ‚konservativ‘ bezeichnen. Unter Nicht-Säkularisten gibt es etwa doppelt so viele Konservative wie Liberale, aber unter Säkularisten ist das Verhältnis 1,5 zu 1 zugunsten der Liberalen.“

2012 berichtete das PEW Research Center „‘Nones’ on the Rise” und stellte im Zeitraum von 2007 bis 2012 eine zunehmende Geschwindigkeit im Anstieg des Anteils der Konfessionsfreien in den USA fest: von 15,3 auf 19,6 Prozent.

„Die Zahl der Amerikaner, die sich zu keiner Religion bekennen, nimmt weiterhin rasant zu. Ein Fünftel der US-Bevölkerung - und ein Drittel der Erwachsenen unter 30 Jahren - sind heute religiös ungebunden, der höchste Prozentsatz, der jemals in einer Umfrage des Pew Research Center ermittelt wurde.
Allein in den letzten fünf Jahren ist der Anteil der Religionslosen von knapp über 15 % auf knapp 20 % aller Erwachsenen in den USA gestiegen. Zu ihnen gehören inzwischen mehr als 13 Millionen, die sich selbst als Atheisten und Agnostiker verstehen (fast 6 % der US-Bevölkerung) sowie fast 33 Millionen Menschen, die sich keiner bestimmten Religion zugehörig fühlen (14 %).“

Im August 2016 analysierte PEW: „Why America’s ‘nones’ left religion behind” und legte die Betonung auf den Wechsel von einer religionsbestimmten Kindheit zur Konfessionsfreiheit.

„Der vielleicht auffälligste Trend im Bereich der amerikanischen Religion in den letzten Jahren ist der wachsende Anteil der Erwachsenen, die sich keiner religiösen Gruppe zuordnen. Und die große Mehrheit dieser Religionslosen (78 %) gibt an, als Mitglied einer bestimmten Religion aufgewachsen zu sein, bevor sie ihre religiöse Identität im Erwachsenenalter abgelegt hat. […]
Darunter sind viele Befragte, die „Wissenschaft“ als Grund für ihre Abkehr von religiösen Lehren anführen, darunter einer, der sagte: ‚Ich bin jetzt Wissenschaftler und glaube nicht an Wunder‘. Andere verweisen auf den ‚gesunden Menschenverstand‘, die ‚Logik‘ oder den ‚Mangel an Beweisen‘ - oder sie sagen einfach, dass sie nicht an Gott glauben.“

Im September 2016 heißt es bei PEW: „The factors driving the growth of religious ‘nones’ in the U.S.” und als wesentlicher Grund wird angesehen, dass die Konfessionsfreien jetzt sichtbarer werden, da die Gesellschaft liberaler geworden sei.

„Es gibt unterschiedliche Auffassungen über die Faktoren, die diesen Trend antreiben - und über seine Auswirkungen auf die Gesellschaft. Während es den Anschein hat, dass die USA weniger religiös werden, behaupten einige, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Stattdessen, so sagen sie, könnte die Zunahme der ‚Nicht-Religiösen‘ einfach darauf hindeuten, dass Menschen, die nicht religiös sind, immer offener und bereitwilliger sagen, dass sie keine Religionszugehörigkeit haben, vielleicht weil es gesellschaftlich akzeptabler geworden ist, ein ‚Nicht-Religiöser‘ zu sein.“

Im Herbst 2016 analysierte das Public Religion Research Institute (PRRI) ebenfalls über die Konfessionsfreien: „EXODUS. Why Americans are Leaving Religion - and Why They’re Unlikely to Come Back“. (Dazu der fowid-Artikel: „Die religiös Ungebundenen in den USA“.) Grundtenor ist dabei, dass der Wechsel von der Kindheitsreligion zur Konfessionsfreiheit vorrangig vor dem 18. Lebensjahr erfolgt und dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass sie zur organisierten Religion zurückkehren.

Im Dezember 2016 berichtete Gallup über „Five Key Findings on Religion in the U.S.” mit den Kernbefunden:

  • Fast acht von 10 US-Amerikanern identifizieren sich mit einer Religion, meist dem Christentum
  • 21 % haben keine religiöse Identität, gegenüber 15 % im Jahr 2008
  • Mehr als sieben von 10 sagen, dass die Religion ihren Einfluss in der US-Gesellschaft verliert.

2017 hat das PRRI bereits „Das Ende des weißen christlichen Amerikas“ erklärt („America’s Changing Religious Identity“ bzw. „USA: Veränderungen in den religiösen Identitäten“).

„Die religiöse Landschaft Amerikas befindet sich in einem dramatischen Wandel. Weiße Christen, einst die vorherrschende religiöse Gruppe in den USA, machen heute weniger als die Hälfte aller im Land lebenden Erwachsenen aus. Heute ist weniger als die Hälfte aller Bundesstaaten mehrheitlich christlich weiß. Noch im Jahr 2007 gab es in 39 Staaten eine mehrheitlich weiße christliche Bevölkerung.“

Das wiederum wird 2019 von Gallup bestätigt: „U.S. Church Membership Down Sharply in Past Two Decades” mit den wesentlichen Umfrageergebnissen:

  • Die Hälfte der US-Amerikaner ist Mitglied einer Kirche, gegenüber 70 % im Jahr 1999.
  • Der größte Teil des Rückgangs ist auf den Anstieg des Anteils der Konfessionslosen zurückzuführen.
  • Neun Prozentpunkte weniger Mitglieder bei den Religiösen.

Ebenso heißt es in einem PEW-Update zur Religionslandschaft der USA im Dezember 2019: „In U.S., Decline of Christianity Continues at Rapid Pace“.

„Sowohl der Protestantismus als auch der Katholizismus verlieren an Bevölkerungsanteil. Derzeit bekennen sich 43 % der Erwachsenen in den USA zum Protestantismus, gegenüber 51 % im Jahr 2009. Und jeder fünfte Erwachsene (20 %) ist katholisch, gegenüber 23 % im Jahr 2009. In der Zwischenzeit ist die Zahl der religiös nicht gebundenen Menschen - eine Gruppe, die auch als religiöse ‚Nones‘“ bezeichnet wird - in allen Untergruppen angestiegen. Der Anteil der sich selbst als Atheisten bezeichnenden Menschen ist von 2 % im Jahr 2009 auf 4 % gestiegen, der Anteil der Agnostiker von 3 % im letzten Jahrzehnt auf 5 %, und 17 % der Amerikaner bezeichnen ihre Religion als ‚nichts Besonderes‘, gegenüber 12 % im Jahr 2009. Der Anteil der Mitglieder nicht-christlicher Religionen an der erwachsenen Bevölkerung ist ebenfalls leicht gestiegen.“

2020 war es die Organisation der American Atheist leid, dass die Atheisten immer als nur Untergruppe der „Nones“ eingestuft wurden und organisierten eine eigene Umfrage: „Nichtreligiöse in den USA“. Die Umfrageteilnehmer in den USA wurden u. a. gefragt, in welchem Umfang sie sich als Atheisten, Agnostiker, Nichtreligiöse, Humanisten, Freidenker, Säkulare und/oder Skeptiker identifizieren. Mehr als drei Viertel konnten sich „sehr viel“ mit den Bezeichnungen Nichtreligiöse (80 Prozent), Atheisten (79 Prozent) oder Säkulare (75 Prozent) identifizieren. Von den sieben zur Auswahl stehenden wurden sechs mehrheitlich akzeptiert. Den geringsten Zuspruch erhielten die Agnostiker (35 Prozent).

Und im März 2021 meldete Gallup: „U.S. Church Membership Falls Below Majority for First Time“ (fowid: USA – Kirchenmitglieder unter 50 Prozent), mit drei wesentlichen Feststellungen:

  • Im Jahr 2020 gehörten nur noch 47 Prozent der Erwachsenen in den USA einer Kirche, Synagoge oder Moschee an.
  • Ein Rückgang um mehr als 20 Prozentpunkten seit der Jahrhundertwende.
  • Veränderung vor allem durch Anstieg der Amerikaner ohne religiöse Präferenz.

Passend dazu hatte PEW im Dezember 2021 berichtet: „About Three-in-Ten U.S. Adults Are Now Religiously Unaffiliated”.

“Die säkularisierenden Veränderungen, die in der amerikanischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert bisher zu beobachten waren, zeigen keine Anzeichen einer Verlangsamung. Die jüngste Erhebung des Pew Research Center über die religiöse Zusammensetzung der Vereinigten Staaten zeigt, dass der Anteil der religiös Ungebundenen in der Bevölkerung um 6 Prozentpunkte höher ist als vor fünf Jahren und um 10 Punkte höher als vor zehn Jahren.
Christen stellen weiterhin die Mehrheit der US-Bevölkerung, aber ihr Anteil an der erwachsenen Bevölkerung ist im Jahr 2021 um 12 Punkte niedriger als im Jahr 2011. Darüber hinaus ist der Anteil der Erwachsenen in den USA, die angeben, täglich zu beten, tendenziell rückläufig, ebenso wie der Anteil derer, die sagen, dass Religion in ihrem Leben ‚sehr wichtig‘ ist.
Gegenwärtig sind etwa drei von zehn Erwachsenen in den USA (29 %) nicht religiös - Menschen, die sich selbst als Atheisten, Agnostiker oder ‚nichts Bestimmtes‘ beschreiben, wenn sie nach ihrer religiösen Identität gefragt werden. Selbsterklärte Christen aller Arten (einschließlich Protestanten, Katholiken, Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und orthodoxe Christen) machen 63 % der erwachsenen Bevölkerung aus.“

Aktuell (im September 2022) hat das PEW-Forschungszentrum in einer Projektion „Modeling the Future of Religion in America“ mit vier Modellen zur Intensität von Veränderungen, die auf mehreren Annahmen beruhen, die mögliche Entwicklung der Anteile von Christen und Konfessionsfreien („Nones“) bis 2070 berechnet. Dazu schreibt PEW unter „How we did this”:

„In diesem Bericht wird versucht, die Frage zu beantworten: Wie könnte die religiöse Zusammensetzung der Vereinigten Staaten in etwa 50 Jahren, im Jahr 2070, aussehen, wenn die jüngsten Trends anhalten? Wir versuchen, diese Frage nicht mit pauschalen Vorhersagen oder großartigen Theorien zu beantworten, sondern mit mathematischen Projektionen, die die in der Demografie (der Untersuchung menschlicher Bevölkerungen) standardmäßig verwendeten Techniken mit Daten kombinieren, die wir in Umfragen über Religion gesammelt haben.
Demographen prognostizieren das Wachstum oder die Schrumpfung von Bevölkerungen anhand von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Fruchtbarkeit, Sterblichkeit und Migration. Bei religiösen Bevölkerungsgruppen müssen die Projektionen auch Daten über den ‚Wechsel‘ enthalten, d. h. den freiwilligen Wechsel zu und aus einer religiösen Gruppe. Schließlich hängt die sich verändernde Größe der religiösen Gruppen in den USA zum Teil von den Raten der religiösen Weitergabe ab - ob Eltern ihre religiöse Identität an ihre Kinder weitergeben. In diesem Bericht hat das Pew Research Center zum ersten Mal Schätzungen zur ‚intergenerationalen Weitergabe von Religion‘ in unsere Projektionen aufgenommen.“

Sollten die Trends des Religionswechsels sich nicht verändern, werden die Christen (aller Denominationen) bis 2070 noch eine knappe Mehrheit sein (53 Prozent der Bevölkerung). In den anderen drei Annahmen stärkerer Veränderungen reduziert sich ihr Anteil auf bis zu einem Drittel (35 Prozent).

Bei den Konfessionsfreien sind die Veränderungen entsprechend entgegengesetzt, da der Wechsel von einer christlichen Kindheit zur Konfessionsfreiheit den größten Einfluss für den Anstieg der Konfessionsfreien hat.


(CF)