Kirchliches Leben Evangelische Kirche in Deutschland 1953 - 2017
Ende 2018 waren 21,141 Millionen Menschen (ca. 25,5 Prozent) der Gesamtbevölkerung Deutschlands Mitglied der evangelischen Landeskirchen. Überwiegend evangelisch geprägt ist vor allem der Norden Deutschlands in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Dort sind zwischen 40 und 50 Prozent der Bevölkerung evangelisch gebunden. Am wenigsten sind evangelische Mitglieder in Bayern und im Saarland zu finden (ca. 20 Prozent). Zu den statistisch erfassten Daten des „kirchlichen Lebens“ gehören u. a. Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen - Ereignisse für die jeweils besondere kirchliche Rituale abgehalten werden - und Kirchenaustritte, sowie die Anzahl der Gottesdienstbesucher.
Die Evangelische Kirche in Deutschland ist die Gemeinschaft von 20 selbstständigen lutherischen, unierten und reformierten Kirchen in Deutschland. Das Kirchenamt der EKD befindet sich in Hannover-Herrenhausen.
Die EKD wurde 1948 als Dachinstanz für die Landeskirchen gegründet. Die Leitungsgremien der EKD, wie Synode, Rat und Kirchenkonferenz, deren Geschäfte das Kirchenamt der EKD wahrnimmt, werden gewählt. Gegenüber staatlichen Stellen wurde das Amt eines Bevollmächtigten des Rates der EKD als Ansprechpartner eingerichtet.
Geschichte
Bereits zwischen 1852 und 1903 fand aller 2 Jahre in Eisenach eine Zusammenkunft der obersten evangelischen Kirchenbehörden Deutschlands statt. Viele Kirchenbehörden hielten sich weitestgehend an die Beschlüsse der „Eisenacher Kirchenkonferenz“, obwohl diese nicht bindend waren. Der Deutsche Evangelische Kirchenbund wurde 1922 gegründet, dem die damaligen 28 Landeskirchen des Deutschen Reiches angehörten. 1933 wurde unter dem Einfluss der Nationalsozialisten die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) gegründet, mit dem Ziel, eine einheitliche evangelische „Reichskirche“ zu schaffen. Die vorherrschende Kirchenpartei waren damals die „Deutschen Christen“ (DC), die offen mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. Nur drei Landeskirchen konnten sich der Herrschaft der „Deutschen Christen“ entziehen: Württemberg, Bayern und Hannover. 1934 formierte sich als Gegenpol zur DEK die Bekennende Kirche. Ihre bekanntesten Vertreter waren Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer.
Im Frühjahr 1939 gründeten elf evangelische Landeskirchen in Eisenach das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“.
Ab 1945 versuchten die führenden Geistlichen der Evangelischen Landeskirchen den unterschiedlichen Kirchen ein gemeinsames Dach zu geben und so wurde der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus zwölf Mitgliedern gebildet. 1948 wurde die EKD „als ein Bund eigenständiger und konfessionsverschiedener Kirchen“ offiziell in Eisenach gegründet. Der Standort Hannover schien wegen seiner Verbindungen zu den Kirchen in der DDR geeignet.
Die EKD blieb auch nach der Teilung Deutschlands als Zusammenschluss der evangelischen Landeskirchen beider deutschen Staaten bestehen. Ab 1961 war die Bewältigung der Aufgaben in beiden deutschen Staaten schwieriger. Die Probleme der alltäglichen kirchlichen Arbeit waren zu unterschiedlich geworden. 1969 gründeten die acht „DDR-Landeskirchen“ den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wurden die beiden Verbünde wieder zur EKD zusammengelegt.
Ab 2006 wurde auf die sinkenden Mitgliederzahlen reagiert und der Rat der EKD veröffentlichte ein Reformpapier „Kirche der Freiheit“, mit dem ein umfassender Prozess in der Evangelischen Kirche angestoßen werden sollte. Seither wird in allen Landeskirchen über die inhaltlichen Schwerpunkte künftiger kirchlicher Arbeit diskutiert. Es gibt Empfehlungen an kleine Landeskirchen, sich wegen der Einsparung von Kosten zu größeren Landeskirchen zusammenzuschließen. So entstanden zum Beispiel die Kirche in Mitteldeutschland 2008 und die Nordkirche 2012.
Kirchliches Leben
Die absolute Zahl der Kirchenmitglieder ist zwischen 1953 (knapp 26 Mio. Mitglieder) und 1970 (reichlich 29 Mio.) stetig angestiegen. Jedoch steigt in gleichem Maße die Bevölkerungszahl. Somit gibt es über diese Jahre fast gleichmäßig zwischen 47 und 49 Prozent evangelische Christen. Ab 1971 wird der Trend des Mitgliederverlustes sehr deutlich. Bis 1989 sinkt die Mitgliederzahl auf 40 Prozent der Bevölkerung.
Mit der Wiedervereinigung kommen sehr viele Menschen ohne religiöse Bindung hinzu und der Anteil der Evangelischen sinkt auf ca. 36 Prozent. In den kommenden Jahren ist der Abwärtstrend unaufhaltsam und der Anteil liegt 2017 bei 25,5 Prozent.
Die Anzahl der Taufen (und damit der zukünftigen Kirchensteuerzahler) reduziert sich bereits ab 1964 (483.300) bis 1970 erst langsam (relativ bleibt die Taufzahl bei etwa etwa 1,5-1,6 Prozent der Mitglieder), sinkt dann aber ab 1972 unter 1,0 Prozent ab und liegt 2017 bei etwa 0,7 Prozent (158.758 evangelische Kindertaufen). Der kurze Anstieg 1989-91 ist zum Teil die (abgeflachte) Wiederholung des Anstiegs Ende der 1950er Jahre. Die Kinder von damals werden Brautleute und bekommen eigene Kinder. Dafür spricht auch der Anstieg der evangelischen Trauungen in dieser Zeit. Zum anderen hat Ende der 1980er Jahre dort sicher auch die Wanderungsbewegung von Ost nach West ihren Einfluss. Nach der Wiedervereinigung wurden noch ca. zehn von eintausend Mitgliedern getauft, im Jahr 2017 sind es nur noch reichlich sieben.
Die Anzahl der kirchlichen Trauungen reduziert sich tendenziell seit 1953 (167.006) mit einem leichten Anstieg Anfang der 1960er Jahre und mit einem „Zwischenhoch” Ende der 1980er/Anfang der 90er Jahre (um die 100.000 Trauungen) auf knapp 43.000 (in 2017). Der positive Zwischentrend Anfang der 1990er Jahre ist zum Teil auf die zeitversetzte und abgeflachte Wiederholung der Zahlen von 1962 zurückzuführen (die Kinder heiraten) und zum anderen die nach der Wiedervereinigung hinzugekommenen evangelischen Christen aus der DDR, die sich jetzt wieder kirchlich trauen lassen. Inzwischen lassen sich 2017 nur noch 0,2 Prozent der Kirchenmitglieder evangelisch trauen.
Eine Umrechnung auf die relativen Zahlen der Kasualien pro 1.000 Kirchenmitglieder - die den Einfluss der Mitgliederzahlen ‚neutralisiert’ - zeigt die Veränderungen in noch klarerer Form als die absoluten Zahlen der vorherigen Grafik. Bei den Trauungen ist da tatsächlich nur ein Anstieg Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre zu sehen.
Taufen und Konfirmationen verringern sich - im entsprechenden Abstand von 15 Jahren - parallel zueinander.
Die Bestattungen sind in dem betrachteten Zeitraum ab 1962 auf einem relativ gleichbleibendem Niveau von 320-350.000 pro Jahr. Der vermeintliche sprunghafte Anstieg zwischen 1990 und 1991 beruht lediglich auf einer anderen Zählweise in den östlichen Gliedkirchen. Zu dieser Zeit wurden lediglich die evangelischen Verstorbenen erfasst, nicht, ob diese dann auch ein kirchliches Begräbnis bekamen. Ab 1997 sinkt die Anzahl der evangelischen Bestattungen kontinuierlich auf ca. 271.000 (2017), wobei hier alle evangelischen Bestattungen erfasst sind, nicht nur die der evangelischen Verstorbenen.
Der Saldo aus Taufen und Bestattungen hat sich seit 1970 in einen Bestattungsüberschuss verändert, der sich seit 1991 jährlich um die 100.000 Mitgliederverluste aufgrund dieses Saldos beläuft.
Im betrachteten Zeitraum verlassen mehr Menschen die Evangelische Kirche, als aufgenommen werden. Nur in den Jahren 1956-1962 treten mehr Menschen in die evangelische Kirche ein, als sie verlassen. Bereits 1969 bis 1974 sind größere Austrittsbewegungen zu verzeichnen, die eine Entfremdung der Kirchenmitglieder dokumentiert. Das FDP-Papier „Freie Kirche in einem freien Staat“ war Auslöser einer kritischen Hinterfragung der Kirchenmitgliedschaft. Einige Kirchenoberen sahen diese Entwicklung und erkannten die Notwendigkeit, die Kirche einer Erneuerung zu unterziehen. Ab 1974 machte sich ein gesamtgesellschaftliches Krisengefühl breit. Mitte der 1970er Jahre war sicher auch die Reform des §218 StGB, die in einer breiten öffentlichen Abtreibungsdebatte diskutiert wurde, von erheblichem Einfluss.
Ein weiterer Indikator für die wachsende Distanz zur Kirche ist die niedriger werdende Zahl der Schüler an konfessionellen Schulen, was auf eine distanzierte Einstellung der Eltern und Schüler zu Religion und Kirche schließen lässt. Der Anteil der Schüler an konfessionellen Schulen sank von 1962 bis 1983 von 23 auf 12 Prozent. 2016/17 besuchen rund 190.000 Schülerinnen und Schüler (ca. 1,7 Prozent aller Schülerinnen und Schüler) eine der rund 1.150 allgemeinbildenden und beruflichen evangelischen Schulen in Deutschland, aktuell mit wieder steigender Nachfrage. (360.000 Schüler lernen an 904 allgemeinbildenden und beruflichen katholischen Schulen, ca. 3,3 Prozent). Insgesamt beträgt der Anteil der Schüler und Schülerinnen an Privatschulen im Jahr 2017 ca. 9 Prozent (Statistisches Bundesamt).
Nach der größeren Austrittswelle nach der Wiedervereinigung bewegt sich der Saldo zwischen Aufnahme und Austritt um 120.000 pro Jahr. Zwischen 2004 und 2007 setzte sich dieser Trend für wenige Jahre etwas langsamer fort. Zwischen 2009 und 2012 liegt diese Differenz bei etwa 90.000 Mitgliederverluste pro Jahr. 2013 ist diese Differenz sprunghaft auf 126.000 angestiegen und 2014 sogar auf 226.000. Es haben 2014 fast so viele Menschen die evangelische Kirche verlassen (270.000), wie 1993. Nach 2000 haben insgesamt mehr als 3 Mio. Menschen der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt.
Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist seit 1985 auf die reichliche Hälfte (55 Prozent) geschrumpft. Dabei ist der größere Teil erst nach dem Jahr 2000 der Kirche sonntags fern geblieben. Derzeit gehen nur noch etwa 3 Prozent der evangelischen Christen zum Gottesdienst.
(aktualisiert 2019 -SFE)