Kirchliches Leben der Bistümer Deutschlands aktualisiert
Zu den statistisch erfassten Daten des „kirchlichen Lebens“ gehören u. a. Taufen, Erstkommunionen, Trauungen und Beerdigungen - Ereignisse, für die jeweils besondere kirchliche Rituale abgehalten werden - sowie Kirchenaustritte und Gottesdienstbesuche. Für die deutschen Bistümer liegen nun die offiziellen Zahlen bis 2017 vor.
von Elke Schäfer
Seit vielen Jahren gehen die Mitgliederzahlen in der Katholischen Kirche zurück. Mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen reduziert sich auch die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher und der ehrenamtlich tätigen Personen für sozial-caritative Aufgaben. Daraus folgend ist auch ein Rückgang des Spendenaufkommens zu sehen und künftig sicherlich auch eine Reduzierung des Kirchensteueraufkommen, was jetzt noch durch insgesamt steigende Steuereinnahmen gehalten wird.
Aufgrund leerer öffentlicher Kassen ist eine höhere Bezuschussung der bislang von den Kirchen übernommenen Aufgaben durch Bund, Land und Kommune kaum möglich, wobei hier die Kirchen sowieso nur den geringsten Teil selber tragen und 80-90 Prozent durch andere Quellen gespeist werden (Elternbeiträge, Sozialkassen, Krankenkassen usw.).
Dennoch hat die katholische Kirche trotz sinkender Mitgliederzahlen steigende Steuereinnahmen. Im Vergleich zu 2005 sind das 56 Prozent mehr und beläuft sich 2017 auf mehr als 6,4 Mrd. Euro.
Zwischen 2005 und 2017 sind bei der katholischen Kirche 2,5 Mio Mitglieder weniger zu verzeichnen. Bei den kirchlichen Finanzen ist von diesem Schwund nichts zu spüren, stellt das Institut für Wirtschaft fest: „Im Gegenteil: Nach einer kurzen Delle aufgrund der Finanzkrise und des daraus resultierenden wirtschaftlichen Abschwungs sind die Kirchensteuereinnahmen seit 2010 Jahr für Jahr gestiegen – bei den Katholiken sogar etwas stärker als bei den Protestanten.
Die Einnahmenzuwächse fallen jedoch deutlich höher als die Inflationsrate aus, so dass die Kirchen auch real Zuwächse verbuchen. Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen ist die Lohnsumme als Folge der hohen Beschäftigung deutlich gestiegen, zum anderen lässt der progressive Einkommensteuertarif die Kirchen – genau wie den Staat – überproportional an Einkommenserhöhungen profitieren. Der Trend zu steigenden Einnahmen dürfte in den kommenden fünf Jahren anhalten, selbst wenn weiterhin jedes Jahr die Mitgliederzahl um 400.000 bis 500.000 Personen sinken sollte. Mit Blick auf die katholische Kirche werden sich die Einnahmen bis 2023 schätzungsweise gegenüber dem Jahr 2004 mehr als verdoppelt haben. „Die katholische Kirche würde im Jahr 2023 schätzungsweise 8,2 Milliarden Euro einnehmen.“ (IW-Kurzbericht 78/2018)
In den Statistiken der katholischen Kirche für die letzten ca. 30 Jahre gibt es keine Anhaltspunkte für eine „Rückkehr der Religionen”. Seit 1987 ist ein Mitgliederschwund in den Diözesen von durchschnittlich ca. 11 Prozent zu verzeichnen. Dabei gibt es die größten Verluste in den Bistümern Osnabrück (37 Prozent) und Essen (32 Prozent). In den ostdeutschen Bistümern (Dresden-Meissen , Magdeburg , Erfurt und Görlitz), die erst wieder 1989 gegründet wurden, kann man erst in den letzten 20 Jahren die Entwicklung einschätzen. Alle ostdeutschen Bistümer liegen in der Diaspora, dabei liegt der Katholikenanteil an der Bevölkerung bei 3-7 Prozent. Aber auch im Zeitraum von 20 Jahren sind von den sowieso schon wenigen Mitgliedern überdurchschnittlich viele ausgetreten (zwischen 19 Prozent Bistum Dresden-Meissen und 57 Prozent Bistum Magdeburg). Das Bistum Görlitz hat in der Summe seit der Jahrtausendwende prozentual die meisten Mitglieder verloren (85 Prozent der jetzigen Mitglieder).
Auch die Erzbistümer Berlin und Hamburg bilden Ausnahmen: Das Erzbistum Hamburg ist erst 1995 gegründet worden und hat bisher die wenigsten Mitglieder verloren, im Erzbistum Berlin ist offensichtlich durch Wanderungsbewegungen ein „erheblicher Zuwachs“ an der Gesamtbevölkerung und somit auch an Katholiken zu verzeichnen. In beiden Bistümern gibt es jedoch nur etwa 7 Prozent Katholiken.
Die signifikanten Merkmale zeigen allesamt, dass die Menschen in Deutschland den Kirchen eher den Rücken kehren. Taufen, Kommunionen und kirchliche Trauungen sind insgesamt rückläufig. Während die Taufen noch zwei Drittel und die Erstkommunionen noch etwa drei Viertel der Zahlen von 1987 ausmachen, sind die Trauungen auf ein Drittel gesunken. Die Anzahl der Gottesdienstbesucher ist im gleichen Zeitraum um ca. zwei Drittel gesunken.
Bemerkenswert ist, dass gerade in den ostdeutschen Bistümern noch über die Hälfte regelmäßig zum Gottesdienst gehen. Das heißt, die wenigen Katholiken, die noch da sind, nehmen ihren Kirchgang noch ziemlich ernst.
In allen Bistümern wurde auf den starken Rückgang der Mitglieder reagiert und versucht, nachhaltig wirksame Strategien zur Reduzierung der Ausgaben und Wiedergewinnung von Mitgliedern erarbeitet. Alle Bistümer haben Zukunftsvisionen entwickelt und, neben der Zusammenlegung von Pfarreien, wirkungsvolle Änderungen in der Außenwirkung entworfen.
In den von den Bistümern jährlich veröffentlichten Statistiken über einen Zeitraum von 1975 bis 2017 wird zwar der Abwärtstrend der Mitgliederzahlen deutlich, lässt aber die Entwicklung der Einwohnerzahlen und die demografische Entwicklung außen vor. Leider sind die Einwohnerzahlen von 1975 zu den Bistümern nicht ermittelbar, jedoch gab es insgesamt ca. 3,5 Mio. weniger Einwohner in Deutschland, d. h. pauschal gerechnet ca. 2,5 Prozent weniger pro Bistum.
Im Blickpunkt steht aber auch der demografische Wandel der Kirchenmitglieder. Diese Veränderungen betreffen die Kirchen dabei in doppelter Weise, da sich die Kirchen auf eine älter werdende, auf sozial-karitative Dienste angewiesene Bevölkerung als Bedürftige einstellen muss, gleichzeitig aber der demografische Wandel einen adäquaten Prozess in den Kirchen selbst darstellt und dieser Wandel unter den Kirchenmitgliedern viel deutlicher verläuft als in der Gesamtbevölkerung. (siehe auch Fowid-Meldung 01/2018 Deutschland: Die Konfessionen
Bei der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der über 60-jährigen in den letzten 30 Jahren von 16 auf 21 Prozent gestiegen, der über 80-jährigen von 3 auf 6 Prozent. In den ländlichen Gebieten sind ca. ein Viertel über 60 Jahre alt, in den größeren Städten und Ballungsgebieten sind es etwas weniger.
In der Bevölkerungsentwicklung der Länder zeigen sich ebenfalls große Unterschiede. Allein im Zeitraum von 1990 bis 2017 ist die Bevölkerungszahl in allen ostdeutschen Ländern, im Saarland und in Bremen zurückgegangen. Sachsen-Anhalt hat 23 Prozent verloren, Thüringen 18 und Mecklenburg-Vorpommern 16 Prozent, Sachsen 15 Prozent. Brandenburg profitiert offensichtlich von der Nähe zu Berlin und hat nur 3 Prozent der Bevölkerung verloren. Die Bevölkerung in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein ist dagegen jeweils um mehr als ein Zehntel gewachsen. Steigende Bevölkerungszahlen beruhen größtenteils auf Wanderungsgewinnen aus dem Ausland, da außer Baden-Württemberg alle Länder über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg deutlich mehr Sterbefälle als Geburten aufweisen (Statistisches Bundesamt 2017).
Schwierig ist die Lage der Kirchen in den Großstädten Deutschlands: Hier wirkt sich der demografische Wandel besonders stark aus, die sozialen Probleme konzentrieren sich in besonderer Weise und die Bindung der Bevölkerung an die Kirche beziehungsweise Kirchengemeinde ist besonders stark in Auflösung begriffen. So liegt der Anteil der Einwohner, die der katholischen Kirche angehören, in Großstädten wie München (Erzbistum München und Freising) bei 31,8 Prozent und in Frankfurt (zum Bistum Mainz gehörig) sogar nur bei 21,5 Prozent . In den bayrischen Großstädten wie Regensburg (51,4 Prozent), Würzburg (51,5 ), Augsburg (41,0) und im Saarland (59,8 Prozent), sowie in Trier 61,3 Prozent und Aachen (53,2 Prozent) ist der Katholikenanteil noch am Höchsten. Im Bistum Passau sind als einziges sogar noch drei Viertel der Bevölkerung der Katholischen Kirche verbunden. In den (Erz-)Bistümern Köln, Speyer, Paderborn, Bamberg, Rottenburg-Stuttgart sind noch ca. ein Drittel der Bevölkerung Katholiken
Trier und Aachen haben zwar einen hohen Katholikenanteil, aber dennoch gehen dort prozentual nur die wenigsten zum Gottesdienst (7,8 Prozent). Im Bistum Eichstätt gibt es 2017 die höchsten Anteile an Taufen (8,4 Prozent), Erstkommunionen (8,2) und kirchlichen Trauungen (2,3 Prozent). Ebenfalls ein hoher Anteil an Erstkommunionen ist 2017 im Bistum Münster zu verzeichnen. Das Bistum Hildesheim gehört 2017 zu den Bistümern mit den prozentual wenigsten Trauungen und Taufen. Im Bistum Limburg sind neben dem Erzbistum Berlin die größten Veränderungen (- 1,3 Prozent) der Mitgliederzahlen zum Vorjahr zu sehen. Im Erzbistum Köln sind nach dem Bistum München und Freising die meisten Katholiken seit dem Jahr 2000 ausgetreten (230.000 bzw. 256.000), dies macht ca. 12 bzw. 15 Prozent der jetzigen Miglieder aus.
Die Bistümer Fulda , Köln, Würzburg und Essen haben im Gesamtsaldo der Mitgliederveränderung (Taufen ./. Bestattungen und Eintritte ./. Austritte) zum Vorjahr 1 Prozentpunkt verloren.
Aus der bisherigen Entwicklung ist bislang keine Tendenz zur Abschwächung oder gar Stagnation des Schrumpfungsprozesses zu erkennen.
Ausländische Einwohner nach Religionszugehörigkeit
Durch den Zuzug von Ausländern, die keiner oder einer sonstigen Religion zugehörig sind, sowie durch die nachlassende Bindung der Bevölkerung an eine der großen Volkskirchen hat sich der Anteil der Katholiken in den letzten Jahren verringert. Zudem spielte besonders in den 1980er und 90er Jahren der Zustrom von aus den neuen Bundesländern (viele religionslos) und Osteuropa eine entscheidende Rolle für den Rückgang des Katholikenanteils.
Die höhere Zahl der ausländischen Einwohner ist auch mit einer Veränderung in der Religionszugehörigkeit verbunden. Gehörten in den 1970er und 80er Jahren noch die Mehrheit der ausländischen Einwohner der katholischen Kirche an, so stammen heute viele ausländische Einwohner aus muslimisch geprägten Ländern (insbesondere aus der Türkei). Damit hat sich die Zahl der ausländischen Einwohner ohne Bindung an eine der beiden christlichen Volkskirchen enorm erhöht. Gleichzeitig ist die Zahl der ausländischen Einwohner, die der römisch-katholischen Kirche angehören durch Rückwanderung in ihre Heimatländer (Spanien, Italien, Kroatien) drastisch gesunken. Es gibt in Deutschland ca. 2,7 Millionen römisch-katholische Christen ausländischer Herkunft, die in 560 muttersprachlichen Pfarreien von ca. 530 Pfarrern oder Priestern betreut werden. Inzwischen gehören mehr als zwei Drittel aller ausländischen Einwohner einer sonstigen oder keiner (christlichen) Religionsgesellschaft an. Der Islam ist in Deutschland fast ausschließlich eine Zuwandererreligion. Obwohl eine erste Moschee (der Ahma-diyya-Gruppe aus Indien) bereits 1928 in Berlin-Wilmersdorf gebaut wurde, gab es bis zur Gastarbeiterzuwanderung in Deutschland nur sehr wenige Muslime. Die Volkszählung von 1961 registriert für Westdeutschland nur 28.900 Personen, die dem Islam oder einer „anderen Volks- und Weltreligion“ zugehören. 1987 ergibt die Volkszählung in der Kategorie „Islam“ 1.650.952 Muslime an, das sind 2,7 Prozent der westdeutschen Bevölkerung. Die aktuellen Angaben zu Muslimen in Deutschland schwanken zwischen 1,7 und 4 Millionen, was sicherlich seinen Grund darin hat, dass der Islam kein Mitgliedschaftsverständnis kennt und sich deshalb die Schätzungen mehr an nationalen Zugehörigkeiten orientieren, als an religiöser Praxis oder Zugehörigkeit zu einem Moscheeverein. Rund 80 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime sind türkischer Herkunft, von denen etliche die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Deutschstämmige Muslime werden auf 11.000 Personen geschätzt. 10 -15 Prozent der Muslime sind in Moscheevereinen organisiert und etwa 30 Prozent nehmen aktiv am religiösen Leben teil. In Berlin besteht der höchste Anteil von Muslimen, mit 6,3 Prozent der Bevölkerung, in den östlichen Bundesländern der geringste. Nach den evangelischen und den römisch-katholischen Christen sind die Muslime vor den orthodoxen Christen zur drittgrößten Religionsgruppe in Deutschland angewachsen. Von den Asylsuchenden in Deutschland werden über 70 Prozent den Muslimen zugerechnet. (siehe: Martin Affolderbach Migration, Religion und Bildung - national und international )
Einzelheiten der Mitgliederentwicklung
Die Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung nach Religionszugehörigkeiten kann nicht allein mit der Zunahme ausländischer Einwohner erklärt werden.
Mit drei Bedingungen kann die Mitgliederentwicklung detailliert aufgezeigt werden:
- Taufen und Beerdigungen („natürliche Komponente“)
- Aufnahmen und Austritte („verhaltensbezogene Komponente“)
- Zuzüge und Wegzüge („räumliche Komponente“)
Zu dem Gesamtrückgang in Höhe von 5.656.440 Mitgliedern im Zeitraum 1953 bis 2017 tragen zwei Bedingungen durch ein negatives Saldo bei. So konnten im gleichen Zeitraum insgesamt nur 747.900 neue Mitglieder gewonnen werden, so dass sich ein negatives Aus-/Eintrittssaldo in Höhe von 4,9 Mio Mitgliedern ergibt.
Im genannten Zeitraum ist auch ein deutlicher Sterbe-/ Beerdigungsüberschuss zu konstatieren. Nach den vorliegenden Zahlen sind insgesamt 1,6 Mio. Katholiken mehr verstorben als getauft wurden. Der durch Sterbefälle ausgelöste Mitgliederschwund wird infolge des Geburtenrückganges bei gleichzeitig verändertem Taufverhalten nicht durch die Zahl an Taufen kompensiert.
Bei der Wanderungsbilanz wird deutlich, woher der Bevölkerungszuwachs kommt. Im Zeitraum 2000 bis 2018 sind per Saldo insgesamt 283.000 Einwohner aus Deutschland abgewandert. Im gleichen Zeitraum sind jedoch 5 Mio. Ausländer nach Deutschland gekommen, die oft auch aus vorwiegend muslimisch geprägten Ländern stammen.
Ein weiterer Grund, neben der allgemeinen demografischen Entwicklung, könnte die wachsende Unzufriedenheit mit der katholischen Kirche an sich sein. Die Euphorie nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. war nach wenigen Jahren verflogen. Seine sehr konservativen Einstellungen zu Homosexualität, Zölibat, Frauen im Priesteramt, Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und Bekämpfung von Aids ließen die anfängliche Sympathie für ihn schwinden. Weitere Skandale um Kindesmissbrauch und Geldverschwendung in der Katholischen Kirche haben viele Menschen veranlasst, aus der Kirche auszutreten. Bei Vielen werden sich über einen längeren Zeitraum mehrere Gründe des Zweifelns angesammelt haben, die dann nur noch einen kleinen Anlass benötigten, um den endgültigen Schritt aus der katholischen Kirche zu gehen.
Nach dem Rücktritt Benedikt XVI. wurde 2013 sein Nachfolger Franziskus zum neuen Papst gewählt. Er selbst sieht sich als Vertreter der Armen und hat anfangs durch seine einfache, menschliche Art viele Anhänger gefunden. Aber auch hier ist die anfängliche Hoffnung auf Erneuerung der Realität des Verharrens in alten Strukturen gewichen. Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle kommt nur langsam in Gang, auch wenn der Papst immerhin für Vatikanstadt Regeln aufgestellt hat. Auf die Mitgliederzahlen, eine erhoffte Steigerung, hatte er bisher keinen Einfluss. Die kurze Stagnation der Austritte zwischen 2010 und 2012 ist einem weiteren starken Anstieg bis 2014 gewichen. Bis 2017 sind zwar die Austrittszahlen wieder etwas gesunken, sind aber dennoch auf hohem Niveau von über 160.000 pro Jahr (ca. 0,7 Prozent der Mitglieder). Auch bei den Übertritten und Wiederaufnahmen ist das niedrige Niveau von Mitte der 1980er Jahre erreicht.
Doch auch die Bischöfe müssen sich bewegen. Von den Mitgliedern der Katholischen Kirche werden mittlerweile Taten gefordert, statt Reden. Doch da ist ebenfalls noch nicht viel zu spüren.
Fazit
Während bis 1974 noch jährlich leichte Steigerungen bei den Mitgliederzahlen zu sehen waren, ist ab 1975 durchschnittlich ein Rückgang von 0,6 Prozent. Ausnahme bilden die Jahre 1986 bis 1990, die durch Wanderungsbewegung von Ost nach West bzw. die Wiedervereinigung Deutschlands Zuwachs zeigen, der sich jedoch 1991 bereits wieder ins Gegenteil verkehrt.
Der Alterungsprozess der Mitglieder schreitet ebenso wie in der gesamten Bevölkerung voran. Die „Entkirchlichung“ der Bevölkerung resultiert nicht allein aus dem Austritt aus der Kirche - als einer bewussten Entscheidung bisheriger Kirchenmitglieder -, sondern auch aus einer negativen Tauf-/Beerdigungsbilanz. Dabei wird das ohnehin durch den Geburtenrückgang verursachte Kinderdefizit verstärkt durch ein verändertes Taufverhalten, da die traditionelle Säuglingstaufe immer seltener praktiziert wird. Gleichzeitig aber stirbt die Generation der Senioren aus, die sich stark an die katholische Kirche gebunden fühlen bzw. gebunden fühlten und für die ein Austritt aus der Kirche niemals denkbar gewesen wäre. Die negative Ein-/Austrittsbilanz bildet damit nur einen Grund des rasanten Erosionsprozesses. Selbst wenn die Zahl der Austritte abnimmt und gleichzeitig die Zahl der Eintritte zunehmen würde, würde der Prozess nur unwesentlich verringert werden, da die negative Tauf-/Beerdigungsbilanz in erheblichem Umfang den Rückgang der Kirchenmitglieder bestimmen.
Somit ist aus der bisherigen Entwicklung ein Ende des Schrumpfungsprozesses bislang nicht erkennbar, zumal der Prozess nicht auf eine einzelne Ursache (z. B. Austritte) zurückgeführt werden kann. Selbst bei reduziertem Austrittsverhalten (was jedoch aufgrund der zu erwartenden Mehrbelastungen der Bevölkerung infolge etwa der Mehrwertsteuererhöhung und dem Abbau von Steuervergünstigungen wie die Pendlerpauschale oder die Sparerfreibeträge eher nicht zu erwarten ist), können die weiteren überwiegend demografisch bedingten Ursachen zu einem unter Umständen sich sogar noch verstärkendem Rückgang der katholischen Bevölkerung führen.